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Bescheidene Schneelage, geringe Lawinengefahr

Situationsanalyse Hohe Tauern

Am heutigen Mittwoch, 04.01. konnten wir bei umfangreichen Schneedeckenuntersuchungen in den hohen Lagen (>2000m) der westlichen Hohen Tauern unsere Einschätzung der dortigen Lawinensituation bestätigen. Die Lawinengefahr kann mit Gefahrenstufe 1, Gering bewertet werden.

Der Schneedeckenaufbau ist zwar unverändert schwach, mit Schichten aus recht großen, kantigen Kristallen und eingelagerten Schmelzkrusten, in den allermeisten Fällen fehlt allerdings das darüber liegende Schneebrett. Begünstigend (im Hinblick auf die Lawinengefahr) kommt hinzu, dass sowohl in den nördlichen Hohen Tauern wie auch direkt am Alpenhauptkamm (erstaunlich) wenig Schnee liegt und dieser von Wind und Wärme stark gezeichnet ist. Eine über größere Flächen zusammenhängende Schneedecke findet man vor allem in sehr geschützten, schattigen Karen oder an Felswandfüßen oberhalb etwa 2500 m. Sehr vereinzelt können dort noch Gefahrenstellen angetroffen werden, wo Schneebrettlawinen im Altschnee ausgelöst werden können. Besonders, wenn die entsprechenden Steilhänge windabgewandt sind und sich durch die Ablagerung von Triebschnee ein Schneebrett bilden kann. So geschehen am Neujahrstag, wo am Kitzsteinhorn auf 2900m an einem sehr steilen (>35°), geschützten Nordosthang durch Skitourengeher im Aufstieg eine mittelgroße Schneebrettlawine ausgelöst wurde (siehe Abb. 8 und 9).

Mit teils stürmischem Westwind und etwas Neuschnee bilden sich darüber hinaus am morgigen Donnerstag, 05.01. kleine Triebschneeansammlungen in Rinnen und Mulden, welche besonders im Nordsektor (NW-N-NE) stellenweise störanfällig sind. Gefährlich sind diese allerdings meist nur im absturzgefährdetem Gelände.

Folgende einige Impressionen der heutigen Geländeerkundung, welche wir mit der Unterstützung eines Polizei- Hubschraubers des BMI durchführen konnten.


Abb 1: Bei der derzeit überaus spärlichen Schneebedeckung bis zur Waldgrenze hinauf, ist die Unterstützung des BMI besonders wertvoll (Foto: LWD Salzburg, 04.01.2023).
 


Abb. 2: Das Hollersbachtal im Oberpinzgau weiterhin im braunen Herbstkleid (Foto: LWD Salzburg, 04.01.2023)
 


Abb. 3: Auch im hinteren Bereich des Obersulzbachtales (rechts oben, außerhalb des Bildausschnittes liegt die Kürsinger Hütte) ist die Schneesituation mager (Foto: LWD Salzburg, 04.01.2023).
 


Abb. 4: Am Großen Geiger (3360 m) am Ende des Obersulzbachtales und zur Grenze zu Osttirol macht sich der auflebende Westwind bereits durch Schneefahnen sichtbar. Im Vordergrund der Venediger Westgrat (Foto: LWD Salzburg, 04.01.2023).
 


Abb. 5: Apropos alpine Gefahren: die Gefahr von Spaltenstürzen auf Gletschern überwiegt derzeit die Lawinengefahr. Blick auf das Untersulzbachkees. Die einsame Skispur führt vom Zwischensulzbachtörl (links außerhalb des Bildes) zum Untersulzbachtörl unterhalb der Hohen Fürleg (3243 m; Foto: LWD Salzburg, 04.01.2023).   
 


Abb. 6: Kurzer Blick in die Schneedecke. Im Hintergrund der Kratzenbergsee im Hollersbachtal mit Abretter (2979 m). Aus der Ferne grüßt der Großglockner (Foto: LWD Salzburg, 04.01.2023).
 


Abb. 7: Derzeit sind Gefahrenbereiche in hochalpinen, schattigen, geschützten Bereichen anzutreffen. Die Schneedecke ist dort über einen größere Fläche recht gleichmäßig vorhanden, das schwache Altschneefundament möglicherweise von einem gebundenen Brett überlagert. Hier ist die Auslösung einer mittelgroßen Schneebrettlawine nicht auszuschließen (Foto: LWD Salzburg, 04.01.2023).
 


Abb. 8: Mittelgroße Schneebrettlawine am Kitzsteinhorn (3203 m), an einem Nordosthang auf 2900m (Foto: Alpinpolizei, 04.01.2023).
 


Abb. 9: Das Schneebrett wurde am Neujahrstag gegen Mittag von zwei mit Steigeisen aufsteigenden Skitourengehern im sehr steilen Gelände (>35°) ausgelöst. Der Anriss ist etwa 50 Meter breit. Die beiden Wintersportler wurden nicht erfasst.
 

Aus Sicht des Tourengehers…

…liegt leider auch in den Hohen Tauern noch zu wenig Schnee für vernünftige Touren. In der Regel muss man auch dort in Kauf nehmen, die Skier erst einmal auf den Rücken zu schnallen, bevor man in hohen Lagen eine zwar grenzwertige aber immerhin ausreichende Schneelage für Skitouren vorfindet.

Der beste Schnee liegt derzeit vermutlich in mäßig steilen, schattseitigen Mulden. Dort findet sich mancherorts lockerer, ungebundener Schnee auf kompaktem Untergrund. Meist aber wechseln sich Schattseitig Windharsch und lockerer Schnee (mitunter bodenloser Gries) auf engem Raum ab. An Sonnenhängen findet man bis auf die Gipfel oberflächennah eine Kruste, welche je nach Steilheit und Exposition zwischen tragfähig, Bruchharsch und kaum spürbar variiert. Unterhalb 1800m liegt allgemein kaum Schnee, dies gilt für steile Sonnenhänge bis 2300m. Windexponierte Bereiche sind abgeblasen.

Die Gefahr von Verletzungen durch Stein- oder Bodenkontakt ist größer als die Lawinengefahr. Ein Helm ist besonders bei der bestehenden dürftigen Schneelage anzuraten…


Abb. 10: Abfahrtsgenuss vom 'Feinsten' am Foißkarkopf (3029m) oberhalb des Seebachsees im Obersulzbachtal (Foto: LWD Salzburg, 04.01.2023).
 


Abb. 11: Auch in den Kitzbüheler Alpen ist die Schneelage mager. Hier Nordhänge am Rescheskogel (2182 m) oberhalb von Mittersill im Pinzgau (Foto: LWD Salzburg, 04.01.2023).
 


Abb. 12: Kunstschneebänder am Reiterkogel (1819 m) in Hinterglemm.
 

Ausblick

Zu Beginn nächster Woche ist auf den Bergen Salzburgs mit Neuschnee zu rechnen. Langzeitprognosen bis Ende des Monats prognostizieren allerdings weiterhin für die Jahreszeit zu milde Temperaturen… wir lassen uns überraschen.

Sobald das schwache Altschneefundament – v.a. in den hohen Lagen der Tauern – jedoch von gebundenem Neu- und Triebschnee überdeckt wird, wird allerdings auch die Lawinengefahr wieder ansteigen…


Abb. 13: Schneevorhersage für die nächsten beiden Wochen an der Kürsinger Hütte (2558 m).  

 


 


Matthias Walcher ist neu im Team der Lawinenprognostiker*innen des Lawinenwarndienstes Salzburg. Neben der Verfassung von Lawinenvorhersagen und Blogeinträgen arbeitet er mit benachbarten Warndiensten an diversen Projekten im Fachbereich. In seiner Vergangenheit hat Matthias bereits für verschiedene europäische Warndienste gearbeitet, in Nord- und Südamerika Erfahrungen gesammelt und ist heute auch privat noch in verschiedenen Institutionen aktiv.