Während der ergiebigen Schneefälle in Begleitung von Wind stieg die Lawinengefahr am Wochenende in den Hochlagen der Tauern auf "groß", Lawinengefahrenstufe 4, an. An den ersten sonnigen Tagen nach den Niederschlägen ist es Zeit für ein Resümee.
Wetterrückblick
Von Freitagabend bis Montagabend waren in den Hochlagen der Hauptniederschlagsgebiete zwischen 80-130 cm gesetzter Neuschnee zu verzeichnen. Die Schneefallgrenze bewegte sich anfänglich bei rund 2000m, fiel aber rasch in mittlere bis tiefe Lagen ab. Der Niederschlag wurde zeitweise von stark bis stürmischen Wind aus nördlichen Richtungen begleitet. Besonders zu Beginn des Niederschlagsereignisses hat es verbreitet gegraupelt.
Abb. 1: Bei einer regional sehr unterschiedlichen Schneefallgrenze zwischen 2200 m (östlicher Alpenhauptkamm) und 1800 m (Nordalpen) begann es am Freitag, 28.03., zu schneien bzw. zu regnen. Während des Niederschlags sank die Nullgradgrenze rasch bis auf rund 1500 m. Am Sonntag zeigte sich kurz die Sonne und es kam zu einem kurzweiligen Temperaturanstieg bevor die Schneefallgrenze in der Nacht zum Montag bei recht intensiven Schneefällen bis in tiefe Lagen abfiel.
Abb. 2: Die Darstellung der Differenz der Gesamtschneehöhe von Freitagabend bis Montagabend zeigt, dass in den Hauptniederschlagsgebieten zwischen 80-130 cm gesetzter Neuschnee zu verzeichnen waren. Der Neuschnee wurde durch kräftigen Wind aus nördlichen Richtungen teils umfangreich verfrachtet.
Lawinenbeobachtungen
Während der Niederschläge wurde zahlreiche, teils spontane Lawinen im Neuschneepaket gemeldet. Oft dienten die frischen Graupeleinlagerungen als Schwachschicht. Auf Grund der sehr eingeschränkten Sicht während des Niederschlags, waren Beobachtungen bis Mittwoch nur limitiert möglich.
Die Lawinengefahrenstufe 4 ab Sonntag enstand auf Grund eines Altschneeproblems in Expositionen West über Nord bis Ost oberhalb von 2200 m. Dazu kam ein erhebliches (Gefahrenstufe 3) Neuschneeproblems oberhalb von 2000 m.
Der Schneedeckenaufbau wird in diesen Tagen im Lawinenbericht wie folgt beschrieben: Innerhalb des Neu- und Triebschneepakets können weichere Schichten in Form von Graupel bzw. lockerem Neuschnee Schwachschichten darstellen. Im unteren bzw. mittleren Teil der Schneedecke befinden sich oberhalb von 2200m Schwachschichten in Form von kantigen Kristallen, welche teils zwischen Schmelzkrusten eingebettet sind.
Ein erster umfangreicher Blick ins Gelände zur Analyse der Situation bot sich am Mittwoch.
Abb. 3: In der Goldberggruppe waren am Mittwoch einige große bis sehr große spontane Lawinen der vergangenen 72 h zu erkennen. Besonders eindrücklich ersichtlich hier an der Ostflanke des Goldzechkopfs in der Goldberggruppe auf rund 2800 m.
Abb. 4: Auch auf der Ostflanke des Hohen Sonnblicks diente der frische Triebschnee als Brett für eine große, spontane Schneebrettlawine aus extrem steilen Gelände (© LWD Salzburg).
Abb. 5: Oberhalb des Goldbergkees am Hohen Sonnblick lösten sich am wochenanfang spontan kleinere Schneebrettlawinen.
Rückblickend konnten Geländebeobachtungen am Mittwoch die erwarteten großen, spontanen Lawinen während und kurz nach dem Niederschlag bestätigen. Zum Mittwoch wurde die Lawinenegefahr auf erheblich abgestuft. Der Neuschnee hatte sich bereits deutlich gesetzt und verfestigt. Dadurch nahm auch die Auslösewahrscheinlichkeit rasch ab und im Bericht wurde beschrieben, dass zumindest geringe Zusatzbelastung notwendig ist um Lawinen auszulösen.
Erste Analysen am Mittwoch zeigten, dass zwar stellenweise störanfällige Schichten in der Schneedecke vorhanden sind, sie aber auf Grund der Mächtigkeit des Neu- und Triebschnees (überraschend) schwer zu stören sind. Es wurden in ungesicherten Variantenbereichen der Skigebiete viele Hänge befahren und es konnte nur wenig frische Lawinenaktivität beobachtet werden. Das Altschneeproblem hat an diesem Tag seinem Ruf als "heimtückischstes aller Lawinenprobleme" alle Ehre gemacht.
Lawinenereignis Zehnerkar
Am 02.04.25 um rund 13:00 kam es im freien Variantengelände am Zehnerkar in Obertauern zu einem Lawinenereignis.
Unweit der Bergstation Zehnerkarbahn löste sich auf einem Nordhang ein großes Schneebrett. Ein Skifahrer wurde dabei verschüttet und konnte dank geübter Kameradenrettung rasch und unverletzt gerettet werden.
Die Lawine löste sich am Übergang zwischen Neu- und Altschnee auf kantig aufgebauten Kristallen zwischen zwei Krusten. Im schneeärmeren Bereich, unterhalb der mit Triebschnee beladenen Kuppe, riss das Brett in die bodennahe Schwachschicht vom Frühwinter durch.
Abb. 6: Die Lawine war rund 350 m lang, 200 m breit und die Anrissmächtigkeit variierte zwischen 70-150 cm. In der Sturzbahn hat die Lawine mehrere weitere Schneebrettlawinen sekundär ausgelöst. (©LWD Salzburg).
Abb. 7: Die Verschüttungsstelle befindet sich am oberen Boden am rechten Rand der Sturzbahn (©LWD Salzburg).
Abb. 8: Detailaufnahme der Einfahrtsspuren (© LWD Salzburg).
Abb. 9: Ein Profil im Nahbereich der Unfalllawine zeigt, dass sich am Übergang zwischen dem Neu- und Altschnee eine Schicht aus kantig aufgebautem Graupel zwischen zwei Krusten gebildet hat. Die Schicht ist auf den raschen Temperaturabfall zu Begin des Niederschlagsereignisses zurückzuführen. Dadurch entstand in der Schneedecke ein großer Temperaturegradient (kalt auf warm). Im unteren Bereich der Schneedecke ist zudem die bodennahe Schwachschicht vom Frühwinter zu erkennen.
In den kommenden Tagen nimmt die Auslösewahrscheinlichkeit von trockenen Schneebrettlawinen weiter langsam aber stetig ab. Einzelne Gefahrenstellen befinden sich weiterhin an steilen Nordhängen in den Hochlagen. Nach dem Wintereinbruch stehen bis zur Abkühlung am Sonntag eher wieder nasse Lawinen im Vordergrund.
Weitere Informationen zur aktuellen Lawinenlage: Lawine Salzburg: Lawinenwarndienst Salzburg
Anna Heuberger kennt durch ihre Ausbildung als Skiführerin und ihr Studium der Alpinen Naturgefahren die vielen Facetten von Schnee im alpinen Gelände. Anna hat außerdem nicht nur in den heimischen Bergen Erfahrung in der Gefahrenbeurteilung gesammelt, sondern auch in den Bergen Nord- und Südamerikas.