Beitrag

Erster Wintereinbruch

Erster Schneefall bis in tiefe Lagen

Eine Kaltfront aus Westen und das Aufgleiten feuchter Mittelmeerluft aus Süden hat in der Nacht auf Freitag, 4. November, den überdurchschnittlich milden Temperaturen der letzten Wochen ein Ende gesetzt und bringt Regen und Schnee ins Land. Mit der Kaltfront kam es zu einer markanten Abkühlung. Die Schneefallgrenze sank dabei nördlich der Tauern teilweise deutlich unter 1000 m.


Bild 1: Schneefall auch in Tallagen, wie hier in Maishofen (770 m ü. A.). 

Bild 2: An den Daten der automatischen Wetterstation am Sonnblick ist das Eintreffen der Kaltfront sehr gut erkennbar. Der starke, zum Teil stürmische Südwind verliert abrupt an Stärke, die Windrichtung dreht auf Nord(-ost), die Temperaturen fallen markant und es setzt Niederschlag ein. 

Schneefall bis in mittlere (1000- 2000m) oder gar tiefe Lagen (<1000m) ist im November nichts Außergewöhnliches. Ganz im Gegenteil: Im klimatologischen Mittel (1991- 2020) ist die erste Schneedecke in den Landeshauptstädten zwischen dem 18. November (Innsbruck) und 30. November (Wien) zu erwarten. Der erste Schnee in Salzburg Stadt ist derzeit noch nicht vorhersehbar, auf den Bergen beschert die derzeitige Front jedoch ergiebige Neuschneemengen.  

Bild 3: Mit rund 30 cm bis 50 cm schneit es in den Hohen Tauern am meisten. Abseits vom Alpenhauptkamm fallen auf den Bergen 20 cm bis 30 cm Neuschnee. 

Kurzzeitig kleine störanfällige Triebschneepakete im alpinen Gelände 

Der bei kalten Temperaturen fallende Neuschnee wird vom mäßigen bis starken Wind verfrachtet und lagert sich als Triebschnee im Windschatten – sprich, hinter Graten und Geländekanten – auf lockerem Neuschnee ab. Die Geländeoberfläche ist derzeit jedoch verbreitet noch sehr rau und unregelmäßig – es liegt kaum Altschnee. Dies verhindert, dass Schwachschicht und Schneebrett großflächig mit wenig Variabilität auftreten und so als Lawine ausgelöst werden können. Gefahrenstellen gibt es daher nur dort, wo große Neuschneemengen erreicht werden (>30cm) oder schattig hochalpin, wo bereits eine Altschneedecke besteht und Schwachschicht (Neuschnee) und Schneebrett (Triebschnee) entsprechend über eine etwas größere Fläche relativ gleichmäßig vorhanden sind. 

Vorsicht in den kommenden Tagen also insbesondere in Hohen Lagen entlang des Alpenhauptkamms, im sehr steilen kammnahen Gelände, wo kleine Triebschneepakete ausgelöst werden können und zum Absturz führen können. Mit der ersten Sonneneinstrahlung sind in den schneereichen Gebieten kleine spontane Lockerschneelawinen aus felsdurchsetztem Gelände zu erwarten. Zudem sind aus sehr steilen Wiesenhängen in den neuschneereichen Regionen kleine Gleitschneelawinen zu erwarten. 

Im vergletscherten, schattigen Gelände ist entlang des Alpenhauptskamms auch noch Altschnee vorhanden, welcher sich dort während des Hochdruckwetters im Oktober aufbauend umwandeln konnte und als mögliche Schwachschicht unterhalb dem Neuschnee (und potenziell einer Schmelzkruste an der alten Schneeoberfläche) dienen könnte. Dazu fehlen uns derzeit Informationen aus dem Gelände, jedoch ist auch dort im steilen Gelände Vorsicht geboten. Die Hauptgefahr auf Gletschern geht derzeit jedoch nicht von Lawinen, sondern von Spalten aus: die durch Neuschnee und Wind entstandenen, noch dünnen Schneebrücken sind nicht tragfähig. Es besteht erhöhte Spaltensturzgefahr!

Bild 4: Blick von der Kürsingerhütte zum Großen Geiger (3360 m) im Nationalpark Hohe Tauern. Altschnee war vor den Niederschlägen vom 4. November nur im hochalpinen und vergletscherten Gelände zu finden. Gletscherspalten sind nach einem außergewöhnlich heißen Sommer weit offen.  (Foto: 3.11.2022). 

Ausblick

Nach Abzug der Störung setzt sich am Wochenende zunehmend wieder trockenes Wetter durch und die Temperaturen steigen am Sonntag wieder deutlich an – die Nullgradgrenze klettert auf rund 3000m. Frische Triebschneepakete verbinden sich rasch und sind in der Folge kaum noch auslösbar.  

Aus heutiger Sicht ist bis Mitte November mit keinen weiteren erwähnenswerten Schneefällen mehr zu rechnen. Die Temperaturen bleiben sehr mild und mit viel Sonnenschein wird der Schnee in tiefen und mittleren Lagen sowie an Sonnenhängen größtenteils wieder verschwinden. 

Bild 5: Aus heutiger Sicht ist bis Mitte des Monats kein weiterer nennenswerter Schneefall mehr zu erwarten. 

Ein  kurzer Blick zurück

Nach dem ersten Schneefall bis weit unter die Waldgrenze in der zweiten Septemberhälfte bestimmten im Oktober milde Luftmassen vom Atlantik und dem Mittelmeerraum das Wettergeschehen in Salzburg. Die mittlere Lufttemperatur auf den Bergen lag um +4,2 °C über dem langjährigen Mittel von 1991- 1990 und es wurde der wärmste Oktober der Messgeschichte verzeichnet.

Bild 6: Niederschlag (oben), Temperaturverlauf (Mitte) und Globalstrahlung (unten) am Mooserboden (2070 m) in den Hohen Tauern. Beachtlich insbesondere die Lufttemperatur, welche während des gesamten Oktobers auch in den Nachtstunden kaum unter 0 °C wanderte.


 


Matthias Walcher ist neu im Team der Lawinenprognostiker*innen des Lawinenwarndienstes Salzburg. Neben der Verfassung von Lawinenvorhersagen und Blogeinträgen arbeitet er mit benachbarten Warndiensten an diversen Projekten im Fachbereich.
In seiner Vergangenheit hat Matthias bereits für diverse europäische Warndienste gearbeitet, in Nord- und Südamerika Erfahrungen gesammelt und ist heute auch privat noch in verschiedenen Institutionen aktiv.