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Teilweise erhebliche Lawinengefahr

Neu- und Triebschnee in der Höhe stellenweise auslösbar


Ein Italientief hat auf Salzburgs Bergen seit Dienstagmorgen für teils erheblichen Neuschneezuwachs gesorgt. Entlang des Alpenhauptkamms vom Krimmler- Achental bis nach Flachau sind rund 40 bis 60 cm Schnee gefallen, Abseits davon meist zwischen 20 und 40 cm, am wenigsten in den Nockbergen.
 


Abb. 1: Differenz der Gesamtschneehöhe von Dienstagmorgen, 22.11. bis Mittwochmorgen, 23.11. Mit rund 60 cm hat es im Bereich des Dreiländerecks zwischen Tirol, Kärnten und Salzburg am meisten geschneit. Am wenigsten im Lungau, wo zumeist nur 10 bis 20cm gefallen sind.


Mäßiger bis starker Wind aus nördlichen Richtungen hat den Schnee besonders in Gipfelregionen verfrachtet und windabgewandt als Triebschnee abgelagert. Er liegt kammnah im Windschatten sowie in Mulden und Rinnen zum Teil auf lockerem Neuschnee und kann dort stellenweise durch einzelne Wintersportler als Lawine ausgelöst werden. Neuschnee als Schwachschicht ist besonders in den schneereichen Gebieten oberhalb der Walgrenze relevant. Das Problem ist eher von kurzer Dauer.

Ungünstiger ist die Situation überall dort, wo vor dem Schneefall eine zusammenhängende Altschneedecke vorhanden war. Dies betrifft einerseits die vergletscherten Gebiete entlang des Alpenhauptkamms, welche auch im Blog vom 4. November bereits erwähnt wurden. Dazu kommen noch Hänge, welche durch geringe Geländerauhigkeit gekennzeichnet sind, auf welchen seit Anfang November Schnee liegt und welcher sich ebenfalls während des Hochdruckwetters zwischen 7. und 15. November aufbauend umwandeln konnte. Vorwiegend sollte dies nur auf (einzelne) Hänge im Nordsektor (NW-N-NE) oberhalb von rund 2500 m zutreffen. Dort lagert der Neu- und Triebschnee also auf einer (Alt-)Schneedecke, welche durch eine Abfolge von Krusten und kantig aufgebauten Schwachschichten charakterisiert ist. Mitunter kann der Neu- und Triebschnee hier bei geringer Zusatzbelastung ausgelöst werden. In den schneereichen Gebieten sind mittelgroße Lawinen möglich.

Mit dem Neuschnee sind an steilen Wiesenhängen zudem meist kleine Gleitschneerutsche zu erwarten. Die Sonneneinstrahlung initiiert kleine Lockerschneelawinen an extrem steilen Südhängen.
 


Abb 2: Daten der automatischen Wetterstation am Sonnblick (3105 m): Das Eintreffen der Front am 22.11. ist sehr markant an der Änderung der Windgeschwindigkeit von West auf Nordost zu erkennen. An der Station wurden rund 50 cm Neuschnee verzeichnet.


Aufgrund der oben beschriebenen Problematiken, welche mit zunehmender Neuschneemenge zu einer höheren Gefährdung durch Lawinen führen, gehen wir oberhalb von rund 2500 m entlang des Alpenhauptkamms von Erheblicher (3) abseits davon – je nach Neuschneemenge – von Gering (1) bis Mäßiger (2) Lawinengefahr aus. Schattenhänge sind als ungünstiger zu beurteilen. Die Lawinengefahr nimmt mit der Höhe zu.

Bisher haben wir leider nur sehr wenige Informationen aus dem Gelände und mit entsprechender Vorsicht ist auch unsere Einschätzung zu werten. Eine erste Rückmeldung der Lawinenkommission am Kitzsteinhorn berichtet jedoch von sehr guten Sprengerfolgen auf kammnahen Nord- und Nordosthängen auf rund 2800 m, was sich in unser gezeichnetes Bild gut einfügt. Erste Rückmeldungen zur Situation aus Nordtirol zeugen auch von einer stellenweise erhöhten Störanfälligkeit in Schattenhängen in der Höhe.



Abb. 3: Blick vom Heinrich-Schweiger-Haus in Richtung Kitzsteinhorn (3203 m) und Hocheiser (3206 m) in den Hohen Tauern. Am Ende der Schönwetterphase am 15. November war eine zusammenhängende Schneedecke nur an relativ Kontur- armen Nordhängen oberhalb rund 2500 m vorhanden.   



Abb. 4: Matrashaus, Hochkönig (2941 m) mit Blick gen Süden: am Alpenhauptkamm sind Schneefahnen zu erkennen.



Abb. 5: Blick vom Gamskopf (2766 m) im Rauriser Tal in Richtung Norden. Winterlandschaft bis ins Tal. In der Nacht auf Donnerstag, 24.11. zieht es wieder zu und es beginnt erneut zu schneien.


Weitere Entwicklung


In der Nacht auf Donnerstag, 24.11. erreicht uns ein weiteres Frontensystem aus Nordwest mit etwas Neuschnee und kräftigem Wind im Gepäck. Es bilden sich neue, umfangreiche Triebschneepakete. Die Lawinengefahr bleibt bestehen. Achtung: Der starke, zum Teil stürmische Wind lagert die Triebschneepakete weiter hangabwärts (kammfern) ab.
 


Abb. 6: Von heute Mittwoch, 23.11 bis Freitagmorgen, 25.11. fallen nochmals verbreitet 5 bis 15cm, lokal bis zu 25cm Neuschnee. Die Schneefallgrenze liegt dabei um 1000 m.



Abb. 7: Der eintreffende Schneefall in der Nacht auf Donnerstag, 24.11. wird von stark bis stürmischem Nordwestwind begleitet.

Das Wetter bleibt voraussichtlich bis in die nächste Woche hinein wechselhaft, die Temperaturen zeigen sich recht konstant, ergiebiger Neuschnee ist nicht in Sicht.



Abb. 8: Bis Ende des Monats und darüber hinaus ist vorerst mit keinen großen Neuschneemengen mehr zu rechnen.


In einer Woche, am Mittwoch wird der erste Bericht der Wintersaison 2022/23 für den Donnerstag, 1. Dezember veröffentlicht werden. Neben der offiziellen Lawinenvorhersage werden auch während des Winters situationsbedingt Blogs erscheinen, welche Hintergrundinformationen zur Schneedeckenentwicklung bereitstellen.

An dieser Stelle die Bitte an alle, die in den winterlichen Bergen unterwegs sind: schickt uns Bilder und Beobachtungen aus dem Gelände. Diese helfen uns, die Einschätzung der Lawinengefahr zu verbessern und wir können zudem eure Eindrücke in unseren Beschreibungen im Blog verarbeiten!

Vielen Dank!


 


Matthias Walcher ist neu im Team der Lawinenprognostiker*innen des Lawinenwarndienstes Salzburg. Neben der Verfassung von Lawinenvorhersagen und Blogeinträgen arbeitet er mit benachbarten Warndiensten an diversen Projekten im Fachbereich. In seiner Vergangenheit hat Matthias bereits für verschiedene europäische Warndienste gearbeitet, in Nord- und Südamerika Erfahrungen gesammelt und ist heute auch privat noch in verschiedenen Institutionen aktiv.