Mit dem Rückzug der Schneedecke in zunehmend höhere Lagen hat sich zuletzt auch unsere Daten- und Informationslage deutlich ausgedünnt – viele Messstationen registrierten schlicht keine geschlossene Schneedecke mehr. Nun bringt ein Genuatief verbreitet Neuschnee. Hochalpin gibt es bis zu 50 cm Neuschnee, aber auch unter 2000 m wird es bis Freitag mancherorts wieder weiß.
Rückblick
Aus den wenigen verbliebenen Rückmeldungen und Webcam-Bildern der letzten Wochen lässt sich erkennen: Eine durchgehende Schneedecke war zuletzt meist nur noch an schattseitigen Hängen oberhalb von etwa 2500 m vorhanden. Auf der Sonnseite hingegen wurde die Schneedecke bis auf etwa 3000 m zunehmend lückenhaft.
Die Lawinenaktivität der vergangenen Wochen war in erster Linie geprägt von nassen Lockerschneelawinen. Vor allem schattseitig war noch ausreichend Schnee vorhanden, der bei oberflächlichem Bindungsverlust in Bewegung geraten konnte.
Abbildung 1: Blickrichtung Talschluss Hollersbachtal – Hintermoos. Bis auf 2800 m zahlreiche nasse Lockerschneelawinen der vergangenen Tage, beobachtet am 14.05.2025. (© Angelika Ortler)
Abbildung 2: Blick vom Kloben Richtung Großglockner. Noch ausreichend Schnee in schattseitigen Lagen im Hochgebirge, beobachtet am 19.05.2025. (© Uta Philipp)
Basierend auf den verfügbaren Wetterstationsdaten schreitet die Durchfeuchtung der Schneedecke in hochalpinen Schatthängen bislang jedoch nur langsam voran. Wiederholte kleinere Neuschneeereignisse und insgesamt moderate Temperaturen haben dort vermutlich zur Erhaltung von Kältereserven beigetragen.
Abbildung 3: Trotz Datenlücken lösst sich erkennen, dass die Temperaturen auf 3000 m in den vergangenen Wochen ab 05.Mai oftmals unter Null Grad blieben und der Niederschlag in hochalpinen Lagen durchwegs als Schneefall ankam. Quelle: LAWIS.
In den kommenden Tagen steht neuerlich Neuschnee-Nachschub bevor, besonders für die Gletscherregionen, hochgelegene Hütten und eventuell sogar für manche hochgelegenen Siedlungsgebiete wie Obertauern sind einige Zentimeter Neuschnee in Aussicht!
Abbildung 4: SNOWGRID Ensemble-Vorhersage der akkumulierten Neuschneesumme an der Kürsingerhütte (oben) und in Obertauern (unten). Im Bereich des Hauptkammes kann ein halber Meter Neuschnee erwartet werden, auch in tieferen gelegenen Bereichen sind 10 -20 cm Neuschnee möglich. Quelle: GeoSphere Austria, SNOWGRID
Auslöser ist ein mächtiger Höhentrog, der sich von Skandinavien bis ins Mittelmeer zieht. Dort entsteht aktuell ein Genuatief, das ab der Nacht auf Donnerstag für verbreiteten Niederschlag sorgt. Der Donnerstag selbst verläuft dann vielerorts nass – mit 20 bis 40 mm Regen ist in Salzburg verbreitet zu rechnen, in Staulagen lokal auch mehr.
Abbildung 5: Die Hauptniederschlagsgebiete liegen entlang des Alpenhauptkammes, aber auch abseits davon ist in Höhenlagen 1500 m etwas Neuschnee zu erwarten.
Die Schneefallgrenze liegt anfangs noch recht hoch bei 2300 bis 2500 m, sinkt aber im Laufe des Niederschlagsereignisses langsam unter 2000 m ab. In den Hauptniederschlagsgebieten – etwa vom Großvenediger bis zum Rauriser Sonnblick – kommen oberhalb von 2500 m voraussichtlich rund 50 cm Neuschnee zusammen. Damit wird’s wieder richtig winterlich in den vergletscherten Hochtourengebieten. Auch auf hoch gelegenen Passstraßen, wie z.B. auf der Großglockner Hochalpenstraße, könnte der Schneepflug nochmals gefragt sein.
In den vorgelagerten Gebirgsgruppen und den Niederen Tauern kann ab Donnerstagnachmittag und in der Nacht auf Freitag mit Schneefall gerechnet werden. Bis Freitagmorgen sind hier in Höhenlagen um 1800 m 10 – 15 cm Neuschnee möglich. In hochgelegenen Siedlungsgebieten wie Obertauern wird es vorübergehend also wieder weiß.
Abbildung 6: 48-h Prognose für das Fuscher Törl entlang der Großglocker Hochalpenstraße. Zu erkennen ist das Absinken der Temperatur und der Schneefallgrenze im Laufe des Donnerstags. Hauptniederschlagszeitpunkt ist Donnerstagnachmittag, jedoch hält der Schneefall bis Freitagvormittag an und bringt auch in tiefergelegenen Bereichen nach und nach Neuschnee.
Was bedeutet das für die Tourenplanung?
Wo noch eine geschlossene Altschneedecke vorhanden ist, dürfte sich der frische Neuschnee zunächst recht gut mit der vorhandenen Schneeoberfläche verbinden. Allerdings kommt ab Donnerstagnachmittag Nordwestwind auf, der den zunehmend kalt-fallenden, lockeren Neuschnee insbesondere in der Nacht auf Freitag verfrachtet. Dadurch entstehen vor allem in hochalpinen Kammlagen kleine, aber störanfällige Triebschneeansammlungen – bevorzugt hinter Geländekanten sowie in Rinnen- und Muldeneinfahrten.
Ab Samstag beruhigt sich das Wetter wieder, die Wolken lockern zunehmend auf. Mit der kräftigen Mai-Sonne und langsam steigenden Temperaturen wird sich die Triebschneeproblematik rasch entschärfen. Trotzdem gilt: Wer am Wochenende eine Tour plant, sollte Triebschneeansammlungen sorgfältig beurteilen. Eine defensive Routenwahl und Zurückhaltung in sehr steilem Gelände sind ratsam – nicht zuletzt wegen der erhöhten Absturzgefahr.
Zudem ist mit der Sonneneinstrahlung ab dem Wochenende auch wieder mit spontaner Lawinenaktivität zu rechnen. Vor allem in den neuschneereicheren Gebieten sind nasse Lockerschneelawinen aus Steilhängen zu erwarten.
Veronika Hatvan begeistert sich seit jeher für Schnee und alles, was kalt ist – sei es in der Arktis, beim Eisbaden oder beim Eisessen. Im Zuge ihres Meteorologiestudiums und mehrerer Aufenthalte auf Spitzbergen konnte sie ihre Begeisterung weiter vertiefen – beim Graben von Schneeprofilen im Gelände ebenso wie beim Modellieren der Schneedecke am Computer. Seit 2021 war sie für die Lawinenwarndienste Steiermark und Niederösterreich tätig. Mit der Wintersaison 2023/24 wurde sie Teil des Prognoseteams des Lawinenwarndienstes Salzburg.