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Feuchte Luftmassen und milde Temperaturen schwächen die Schneedecke

Aktuelle Situation

Hochdruckwetter mit klaren Nächten und viel Sonne sorgten am Donnerstag, 04.05. und Freitag, 05.05. für günstige Tourenbedingungen mit einem tageszeitlichen Gang der Lawinengefahr. Mit gutem Zeitmanagement konnte am Vormittag oft schöner Firn genossen werden, an hochalpinen Schattenhängen war mitunter auch noch trockener Pulverschnee anzutreffen. Wärme und Sonne führten im Tagesverlauf zu einem Aufweichen des nächtlichen Harschdeckels. Die Schneedecke verlor an Festigkeit und es lösten sich kleine und mittlere spontane nasse Locker- und Gleitschneelawinen.


Abb. 1: An steilen Nordhängen oberhalb etwa 3000m blieb die Schneedecke meist trocken. Hier konnte noch trockener Pulverschnee vom Niederschlag zu Wochenbeginn angetroffen werden. Im Bild zwei Skitourengeher im Gipfelaufschwung zur Hohen Fürleg (3243m) im Habachtal (Foto: LWD Salzburg, 04.05.2023).
 


Abb. 2: Am Mittwoch, 03.05. sorgen warme Temperaturen, feuchte Luft und diffuse Strahlung zu einer Durchnässung der Schneedecke. Es lösten sich zahlreiche nasse Lockerschneelawinen aus felsdurchsetztem Steilgelände. In den klaren Nächten auf Donnerstag, 04.05. und Freitag, 05.05. konnte die nasse Schneedecke die Wärme gut abstrahlen und es bildete sich ein tragfähiger Schmelzharschdeckel, welcher im Tagesverlauf auffirnte. Firnschwünge an Nordhängen auf rund 2100m im hinteren Habachtal (Foto: LWD Salzburg, 04.05.2023).
 

Weitere Entwicklung

Das kurze Fenster guter Tourenbedingungen ist leider schon wieder passé. Am Freitagabend, 05.05. erreicht uns ein Frontensystem aus Westen mit gewittrigen Schauern und Regen bis auf etwa 2700- 2900m. Und auch am Wochenende und darüber hinaus bleibt es labil. Samstag und Sonntag bleiben die Temperaturen mild und die Luft feucht. Die Nächte sind überwiegend bewölkt und v.a. in den Nachmittagsstunden sind gewittrige Schauer bei einer Schneefallgrenze von 2600- 2800m möglich. Die Schneedecke ist zumindest bis in diese Höhenlagen nass und schwach. Vor allem an Schattenhängen oberhalb 2600m könnten mit dem Wärmeeintrag auch Schwachschichten in der Altschneedecke erstmalig angesprochen werden – nasse Schneebrettlawinen sind hier vereinzelt möglich. Ansonsten ist vor allem mit nasser Lockerschnee- und etwas Gleitschneeaktivität zu rechnen.

Im Laufe der nächsten Woche gehen die Temperaturen dann sukzessive zurück, es bleibt aber wechselhaft und es werden weiterhin feuchte Luftmassen an die Alpen herangetragen. In hohen Lagen ist insbesondere am Mittwoch wieder ergiebiger Neuschneezuwachs möglich.


Abb. 3: Wetterentwicklung in den nächsten 5 Tagen am Fuscher Törl (2428m). Wechselhaftes Wetter steht uns bevor – die Temperaturen nehmen ab Montag, 08.05. spürbar ab.
 


Abb. 4: Neuschneeprognose Rudolfshütte (2317m). Besonders ab Mittwoch, 10.05. sind in hohen Lagen wieder ergiebige Neuschneemengen möglich.
 

Rückblick

Ein kurzer Rückblick der vergangenen Tage in Bildern


Abb. 5: Am Dienstag, 02.05. fiel vor allem in der Goldberggruppe sowie der Glocknergruppe oberhalb 2000- 2200m etwas Neuschnee. An der Wetterstation Marchkar in Raurisertal wurden rund 15cm Schneezuwachs verzeichnet. Im rosa markierten Bereich erkennt man in der zweiten Grafik von oben die graue, stark abfallende Linie der Schneeoberflächentemperatur. Dies ist eine Folge der nächtlichen Abstrahlung und ist ein Indikator für gute Firnbedingungen im Frühjahr – vorausgesetzt Wärme führt am Folgetag zu einem Anfeuchten der Schneeoberfläche.
 


Abb. 6: Feuchte Luft und diffuse Strahlung in Kombination mit milden Temperaturen (sogenanntes „Waschkuchlwetter“) führen zu starkem Wärmeeintrag in die Schneedecke. Im Bild der Talschluss des Obersulzbachtals mit Großem Geiger (3360m) links und den Maurerkeesköpfen rechts im Bild (Foto: Lena van Dijck, 29.04.2023).
 


Abb. 7: Modellierte Gesamtschneehöhe (links) und 72-Stunden- Differenz der Schneehöhe auf Salzburgs Bergen. Eine zusammenhängende Schneedecke findet man derzeit meist noch oberhalb etwa 1800- 2000m.
 


Abb. 8: Am Hundstein (2117m) in den Dientner Grasbergen hält langsam aber sicher der Frühling Einzug. In der dahinter aufragenden Glocknergruppe herrscht noch tiefer Winter (Foto: Gerald Lehner, 04.05.2023).
 


Abb. 9: Schneewände an der bereits für den Verkehr geöffneten Großglockner Hochalpenstraße (Foto: Manfred Roth, 04.05.2023).
 


Abb. 10: Wer in den vergangenen Tagen das frühe Aufstehen nicht scheute, konnte auf den Bergen hervorragende Tourenbedingungen antreffen. Im Hintergrund die nassen Lockerschneelawinen, welche sich auch an den Nordhängen unterhalb des Hohen Sonnblicks (3106m) mit der feuchtwarmen Luft am Mittwoch, 03.05. vielerorts spontan lösten (Foto: Klaus Einmayr, 04.05.2023).
 


Abb. 11: Bereits wieder überschneite Zeichen intensiven Regeneintrags während des Niederschlags von Ende letzten Monats. Am Samstag, 29.04. wurde uns gebietsweise von Regen bis gegen 3000m berichtet (Foto: Robert Delleske, 04.05.2023).

 


 


Matthias Walcher ist Lawinenprognostiker im Team des operativen Lawinenwarndienstes Salzburg bei der Geosphere Austria. Neben der Verfassung von Lawinenvorhersagen und Blogeinträgen arbeitet er mit benachbarten Warndiensten an diversen Projekten im Fachbereich. In seiner Vergangenheit hat Matthias bereits für verschiedene europäische Warndienste gearbeitet, in Nord- und Südamerika Erfahrungen gesammelt und ist heute auch privat noch in verschiedenen Institutionen aktiv.