Analyse des tödlichen Lawinenunfalls am Speiereck/Radstädter Tauern.
Unfallanalyse Speiereck/Radstädter Tauern
Am 25.12.24 um rund 11:30 kam es im Variantenbereich des Skigebiets Speiereck zu einem Lawinenabgang. Ein einzelner, gut ausgerüsteter Einheimischer querte im Bereich Steinleiten rund 50 m durch eine mit hartem Triebschnee beladene Mulde. An einem Übergang von wenig zu viel Schnee löste der Variantenfahrer eine Schneebrettlawine aus, die ihn rund 15 m durch teils mit Felsen durchsetztem Gelände in den tiefsten Punkt der Mulde mitriss. Der nachkommende Schnee verschüttete den Mann komplett.
Abb. 1: Der Variantenfahrer querte von der Bergstation knapp unterhalb des Speierecks in Richtung Norden (gelber Pfeil). Im Bereich des roten Kreises wurde die Lawine ausgelöst.
Abb.2: Übersichtsfoto der Unfalllawine (© Manfred Pfeiffenberger). Die Lawine war rund 40 m breit, 50 m lang und die Anrisshöhe betrug zwischen 20 und 130 cm.
Da kurz zuvor eine Meldung von einer zweiten Schneebrettlawine die Bergrettung erreicht hatte (Negativlawine), waren die Einsatzkräfte bereits in der Nähe und sehr schnell vor Ort. Ein Mann der örtlichen Bergrettung konnte den Verschütteten mittels Lawinenverschütteten-Suchgerät rasch lokalisieren. Aufgrund der Geländefalle im Auslaufbereich der Lawine war der Mann rund 1,5 m tief verschüttet. Für den Verschütteten kam jede Hilfe zu spät, er konnte leider nur noch tot geborgen werden.
Abb. 3: Die Lawine lief in einer Geländefalle (Mulde) aus, wo sich die Schneemassen über dem Verschütteten zusammen stauten. (© LWD Salzburg)
Am 26.12.24 führte der LWD Salzburg gemeinsam mit der Alpinpolizei und Mitgliedern der örtlichen Bergrettung eine Unfallanalyse durch. Schneedeckenuntersuchungen zeigten, dass auf dem Osthang auf 2300 m störanfälliger Oberflächenreif vorhanden war. Stabilitätstests zeigten, dass Brüche im Oberflächenreif teils auch auf die bodennahe Schwachschicht vom Frühwinter durchrissen.
Abb. 4: Mittels Stabilitätstests im Nahbereich des Anrisses konnten Brüche in einer Schwachschicht aus Oberflächenreif (4 mm durchschnittliche Größe) produziert werden. Die Brüche im Oberflächenreif rissen in die bodennahen Schwachschichten bestehend aus kantigen Kristallen durch.
Kurz vor dem Mann haben andere Personen denselben Hang gequert. Die Schwachschicht war zwar störanfällig, aber schwer anzusprechen, da sie in der Mulde von einem harten Triebschneepaket überlagert wurde. Der Auslösepunkt wird deshalb am Übergang von wenig zu viel Schnee vermutet.
Abb. 5: Detailaufnahme des eingeschneiten Oberflächenreifs im Nahbereich der Lawine.
Basierend auf Stationsdaten und anhand von Beobachtung kann nachverfolgt werden, dass der für den Unfall ursächliche Oberflächenreif sich Mitte Dezember gebildet hat.
Abb. 6: Von 11. bis 14.12. sieht man in den Stationsdaten, dass die Schneeoberflächentemperatur (OFT) immer wieder deutlich unter dem Taupunkt (TD) lag. In dieser Zeit konnte sich Oberflächenreif bilden. Initial wurde der Oberflächenreif von Neuschnee mit wenig Windeinfluss überdeckt. In weiterer Folge kamen teils mächtige Triebschneeansammlungen auf dem noch konservierten Oberflächenreif zu liegen.
Der Oberflächenreif konnte gebietsweise sowohl den milden Temperaturen (16.-19.12.) als auch dem Wind trotzen und wird derzeit von Neu- und Triebschnee überlagert, in tieferen Lagen und auf Sonnenhängen auch von einer Kruste. An Schattenhängen oberhalb von rund 2000 m ist die Schwachschicht nach wie vor stellenweise störanfällig.
Anna Heuberger kennt durch ihre Ausbildung als Skiführerin und ihr Studium der Alpinen Naturgefahren die vielen Facetten von Schnee im alpinen Gelände. Anna hat außerdem nicht nur in den heimischen Bergen Erfahrung in der Gefahrenbeurteilung gesammelt, sondern auch in den Bergen Nord- und Südamerikas.