Aktuelle Situation
Das Schneefallereignis (13.04.-16.04) vor einer Woche hat ergiebige Neuschneemengen gebracht. Die Schneefallgrenze sank bis in tiefe Lagen. In der vergangenen Woche sind dann in der Nacht auf Donnerstag, 20.04. am Alpenhauptkamm teilweise noch einmal bis zu 30 cm Neuschnee hinzugekommen, welcher durch den dort einsetzenden Südföhn verfrachtet wurde. Triebschneepakete können derzeit schon durch geringe Zusatzbelastung ausgelöst werden.
Abb. 1: Niederschlagsmenge der vergangenen 48h. Am westlichen Alpenhauptkamm fielen noch einmal bis zu 30cm Neuschnee.
Abb. 2: Südföhn verfrachtet am Wiesbachhorn den Neuschnee (Foto: Uta Philipp, 20.04.2023).
Die mittlerweile recht kräftige Sonne hat bei diffuser Strahlung eine schnelle Setzung des Neuschnees der vergangenen Woche bewirkt. Die Schneedecke ist bis in hohe Lagen feucht, oberflächlich hat sich oft eine Schmelzharschkruste ausgebildet.
Am Wochenende konnten noch Brüche innerhalb des Neuschneepakets erzeugt werden, mittlerweile ist dies nur noch in höheren Lagen (ab 2500m) vorstellbar - besonders natürlich dort, wo am Donnerstag Neuschnee mit Wind gefallen ist.
Abb. 3: Schneedeckentest ergaben am Wochenende Brüche innerhalb des Neuschneepakets (Foto: Dietmar Steiner, 15.04.2023).
Bis auf 2300m ist der Neuschnee der vergangenen Woche gut mit der Altschneedecke verbunden. In hohen Lagen konnten sich jedoch am Übergang zur Altschneedecke kantige Kristalle ausbilden. Schneedeckentests und Sprengerfolge zeigen, dass diese Schwachschicht ansprechbar ist.
Besonders zu beachten ist diese Schwachschicht bei starker Erwärmung, wenn Wasser die Schwachschicht zusätzlich schwächen kann. Dann sind spontane Lawinenabgänge zu erwarten.
Abb. 4: Das Schneeprofil auf 2500m an der Großglockner Hochalpenstraße zeigt die kantige Schicht in einer Höhe zwischen 65 und 64 cm. Dort konnte ein glatter Bruch erzeugt werden (Quelle: LK Großglockner Hochalpenstraße, 19.04.2023)
Aktuell ist auch die Gleitschneeaktivität wieder hoch. Bei der Tourenplanung sollte daher auf Gleitschneemäuler geachtet werden und auch Gebiete unterhalb steiler Grashänge und Felsplatten gemieden werden.
Abb. 5: Aktuell erhöhte Gleitschneeaktivität, hier Blick vom Heinrich-Schwaiger-Haus (Quelle: foto-webcam.eu).
Die Unsicherheiten in der Einschätzung und Prognose sind im Frühling häufig größer als im Winter, da die Rückmeldungen von Tourengehern oder aus den Skigebieten abnehmen. So fußt z.B. die Höheneingrenzung einer Schwachschicht teilweise nur auf wenigen Rückmeldungen und kann durchaus davon abweichen. Zudem kann im Frühjahr die Situation lokal oft recht unterschiedlich sein: die Wärmeabstrahlung der Schneedecke in den Nachtstunden kann von lokaler Bewölkung beeinflusst werden, die Sonneneinstrahlung und dessen Abschattung haben einen Einfluss auf den Verlauf und das Ausmaß der Durchfeuchtung. Aufgrund all dieser Faktoren ist eine laufende Beobachtung der lokalen Gefahrenentwicklung während einer Tour derzeit besonders wichtig.
Ausblick
Das aktuelle Schönwetterfenster dauert bis Sonntag an. Die Nullgradgrenze steigt auf über 2500m an. Am Sonntag erreicht uns dann eine Kaltfront, die Temperaturen sinken wieder und Regen bzw. Schneefall setzt ein. Die Schneefallgrenze liegt zu Beginn noch bei ca. 2000m und sinkt in der Nacht auf Montag, 24.04. auf ca. 1300- 1500m ab.
Abb. 5: Wetterentwicklung bis 19.04. am Gitterpunkt Mooserboden auf 2300m. Zuerst Schönwetterfenster, dann Kaltfront.
Abb. 6: Neuschneeprognose am Gitterpunkt Kürsingerhütte auf 2558m. Zu Beginn der Woche werden wieder einige Zentimeter Neuschnee erwartet.
Die Erwärmung hat eine weitere Setzung der Schneedecke zu Folge, die Triebschneeproblematik wird zunächst abnehmen. Durch die Sonneneinstrahlung sowie warme Temperaturen sind mit im Tagesverlauf mit zunehmender Durchfeuchtung spontane Lawinen zu erwarten.
Mit dem Temperaturrückgang zum Wochenstart geht die spontane Nassschneelawinenaktivität wieder zurück, die Triebschneeproblematik steigt durch den erwarteten Neuschnee mit Wind wiederum an.
Rückblick
Ein kurzer Rückblick der vergangenen Tage in Bildern.
Abb. 7: Wetterentwicklung in der vergangenen Woche an der automatischen Wetterstation Marchkar (2130m): Ergiebige Schneefälle ließen die Schneedecke bis zum Sonntag 16.04. anwachsen, danach ist eine Setzung der Schneedecke erkennbar. Am Donnerstag, 20.04. bei Südföhn erneuter Schneefall.
Abb. 8: Schneefall bis in tiefe Lagen… (Foto: Leonhard Stock, 16.04.2023).
Abb. 9: … ließ das Skifahrer*innenherz höherschlagen (Foto: LWD Salzburg, 15.04.2023).
Abb. 10: Der Schnee hat sich wieder in höhere Lagen zurückgezogen, Blick zur Wermutschneid (Foto: Herbert Rohn, 19.04.2023).
Veronika Krieger hat Maschinenbau und Meteorologie studiert und arbeitet seit 2021 im Team der GeoSphere Austria in Salzburg. Schon von Kindesbeinen an hat Veronika viel Zeit in den Bergen verbracht - im Sommer am Fels, im Winter auf Eis und Schnee. Sie war Teil des DAV Expedkaders 2016 und ist seit Jahren Beobachterin und Wochenberichtsautorin des bayerischen Lawinenwarndienstes. Seit der Wintersaison 2022/23 arbeitet sie als Lawinenprognostikerin im Team des Lawinenwarndienst Salzburg.