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Ergiebige Neuschneemengen führen kurzzeitig zu großer Lawinengefahr

Der Winter meldet sich erneut zurück. Bei relativ kalten Temperaturen und einer entsprechend tiefer Schneefallgrenze (meist um oder unter 1000m) schneit es seit den Nachtstunden auf Donnerstag im ganzen Land ergiebig. Am unmittelbaren Hauptkamm sind bis zum jetzigen Zeitpunkt bereits zwischen 50 und 80cm Neuschnee gefallen, abseits davon sind es verbreitet um die 30cm. Die Verbindung zur Altschneedecke ist teils schlecht, Sprengerfolge waren erfolgreich, spontane Lawinenabgänge wurden schon beobachtet.

Aktuelle Situation

In der Nacht auf Donnerstag hat sich, ausgehend von einer Tiefdruckrinne, über dem Golf von Genua ein Tiefdruckgebiet ausgebildet. In der weiteren Folge ist das Tief zuerst nach Osten und dann, abgelenkt von einem Hochdruckgebiet, nach Norden weitergezogen. Bei einem Tief mit einer solchen Zugbahn spricht man von einem Vb-Tief (sprich: Fünf-B). Sie bringen viel Feuchtigkeit mit sich, treten am häufigsten im Frühjahr und Herbst auf und bewirken eine Verlängerung des Winters bzw. einen frühen Wintereinbruch.

Abb. 1: Ausprägung eines Tiefdruckgebiets über dem Golf von Genua.

Abb. 2: Verlagerung des Tiefs nach Nordosten innerhalb eines Tages.

Am Donnerstag brachte zunächst eine an die Tiefdruckrinne gekoppelte Kaltfront Niederschläge aus Nordwest. Dann fielen durch das Vb-Tief ergiebige Niederschläge südlich des Hauptkamms und schließlich gab und gibt es wegen der Zugbahn nach Norden auch alpennordseitig Stauniederschläge. So fielen am Donnerstag oft 15 bis 20mm Niederschlag, lokal wurden bis zu 45mm gemessen, und bis Sonntag werden noch verbreitet um die 20mm erwartet.

Zur Abschätzung der Neuschneemenge in der Höhe können die Mengen verdoppelt werden. Das heißt insgesamt können bis zu 100cm Neuschnee fallen.

Abb. 3: Analyse der bisherigen Neuschneemenge. Bis zu 80cm Neuschnee wurden bisher gemessen.

Abb. 4: Prognose der Neuschneesumme innerhalb der nächsten 48h.

Besonders am Freitag weht ein in der Höhe starker Wind, aber auch am Samstag und Sonntag weht der Wind noch in Verfrachtungsstärke. Bei anhaltendem Niederschlag ist die Sicht weiterhin schlecht. Durch den vielen Neuschnee und den Wind können sich große Triebschneeansammlungen bilden, die störanfällig und schwer erkennbar sind.

Durch die Auflast des Neuschnees können Schwachschichten in der Altschneedecke angesprochen werden. Lawinen können sich spontan lösen oder ausgelöste Lawinen können auf diese Schwachschichten durchreißen und groß werden. Aus extrem steilem Gelände können sich Lockerschneelawinen lösen.

Im Gelände ist daher am Wochenende unbedingt Zurückhaltung gefragt.

Ausblick

Am Sonntag klingt der letzte Schneefall ab, und das Wetter bessert sich zunehmend, weiterer Schneefall kündigt sich vorerst nicht an. Mit steigenden Temperaturen setzt sich die Schneedecke, die Gefahr von trockenen Lawinen nimmt dann rasch ab. Im Gegenzug steigt die Aktivität von Locker- und Gleitschneelawinen an.

Abb. 5: Wetterentwicklung bis 19.04. am Gitterpunkt Mooserboden auf 2300m. Der Schneefall lässt am Sonntag nach, das Wetter bessert sich, die Temperaturen steigen.

Abb. 6: Neuschneeprognose. Nach diesem Schneefallereignis sind vorerst keine weiteren markanten Schneefälle prognostiziert.

Durch den ergiebigen Schneefall wurde in hohen Lagen der Tauern das Mittel der Schneehöhe wieder erreicht. Die Skihochtourensaison wird dadurch verlängert, dieses Wochenende ist aber nicht für Skihochtouren geeignet.

Abb. 7: Diesjährige Beobachtung der Schneehöhe an den Stationen Rudolfshütte und Moserboden im Vergleich zum langjährigen Mittel.

Rückblick

Ein kurzer Rückblick der vergangenen Tage in Bildern.

Abb. 8: Wetterentwicklung in der vergangenen Woche an der automatischen Wetterstation Feuersang (2113m): Neuschnee am Osterwochenende (07.-09.04.) mit schwachem Wind, kurzzeitiges Wetterfenster am Ostermontag, Südföhn am Mittwoch 12.04., markanter Schneefall seit Nacht zu Donnerstag.

Abb. 9: Kammnah, kleine störanfällige Triebschneepakete im Bereich der Kolmkarspitze (2528m) – Kolm-Saigurn, Rauris (Foto: Alpinpolizei, 10.04.2023).

Abb. 10: Spontanes kleines Schneebrett am Goldbergkees am Hohen Sonnblick (3106m) durch Input Sonne und Wärme am frühen Montagnachmittag (Quelle: foto-webcam.eu, 10.04.2023).

Abb. 11: Ungebundener Neuschnee im extremen Steilgelände war am Foißkarkopf (3029m) im Obersulzbachtal als Lockerschneelawine auslösbar (Foto: Tatjana Gugganig, 10.04.2023).

Abb. 12: Zahlreiche spontane Lockerschneelawinen am Bärenkopf (2861) im Amertal aus extrem steilen Sonnenhängen (Foto: Dietmar Steiner, 10.04.2023).

Abb. 13: Die einzige Unfalllawine am Ostermontag. Eine spontane Lockerschneelawine (ausgelöst am nach Osten exponierten Hang oberhalb der Steilrinne) hat am Sonnblick einen im Aufstieg befindlichen Skitourengeher erfasst und ca. 300- 400 m mitgerissen. Leichte Verletzungen. Roter Punkt: Erfassungspunkt. Blauer Punkt: Endposition (Foto: Alpinpolizei, 10.04.2023).

Abb. 14: Die Schneedecke an der Seealpscharte (2298m, am Silberpfennig (2600m), Kolm-Saigurn, Rauris) wurde mit der starken Sonneneinstrahlung und relativ warmen Temperaturen schnell leicht angefeuchtet und oberflächlich pappig (Foto: Nani Klappert, 10.04.2023).

Abb. 15: Der sonnige Ostermontag mit super Bedingungen wurde von vielen ausgenützt, wie hier am Stubacher Sonnblick (3086m) (Foto: Christof Slavicek).

Abb. 16: Die Schneegrenze war vielerorts bereits im Bereich der Waldgrenze. Hier beim Silbereck (2810m) im Muhrtal (Lungau) konnte noch bis auf 1500m abgefahren werden (Foto: Bernadette Höring).


 

Veronika Krieger hat Maschinenbau und Meteorologie studiert und arbeitet seit 2021 im Team der GeoSphere Austria in Salzburg. Schon von Kindesbeinen an hat Veronika viel Zeit in den Bergen verbracht - im Sommer am Fels, im Winter auf Eis und Schnee. Sie war Teil des DAV Expedkaders 2016 und ist seit Jahren Beobachterin und Wochenberichtsautorin des bayerischen Lawinenwarndienstes. Seit der Wintersaison 2022/23 arbeitet sie als Lawinenprognostikerin im Team des Lawinenwarndienst Salzburg.