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Auflebender Nordwestwind bildet störanfällige Triebschneepakete

Aktuelle Situation

Die Temperaturen sind im Laufe der vergangenen Woche deutlich abgesunken und es hat wiederholt bis in die Niederungen geschneit. War zu Wochenbeginn besonders in den typischen Föhngebieten des Nordens noch starker Südwind mit im Spiel, so hat dieser Mitte der Woche deutlich nachgelassen. Es findet sich derzeit Abseits des unmittelbaren (besonders östlichen) Hauptkamms und des Lungaus – wo lebhafter Nordwind den Schnee umfangreich verfrachtet hat – kalter, sehr locker Neuschnee an der Schneeoberfläche.

Am Samstag, 21.01. legt der Nordwestwind allerdings deutlich an Stärke zu und es kommt erneut etwas Neuschnee hinzu. Der Wind kann den lockeren Schnee sehr leicht verfrachten und es bilden sich im Windschatten, v.a. in Kamm- und Passlagen und hinter Geländekanten oberhalb der Waldgrenze teils umfangreiche Triebschneepakete, welche auf lockerem Neuschnee (sehr störanfällige aber kurzlebige Schwachschicht) abgelagert werden. Lawinen können dort von einzelnen Personen ausgelöst werden und mittlere Größe erreichen. Die Gefahrenstellen sind einerseits aufgrund der Sichtverhältnisse, aber auch weil diese mitunter wieder überschneit werden, schwer zu erkennen.

Es gilt die Sinne zu schärfen und sich im windbeeinflussten Gelände möglichst auf mäßig steiles Gelände (<30 °) zu beschränken. In den Grasbergen bzw. überall dort, wo der Wind nicht durchgreift, finden sich derzeit sehr gute Schneeverhältnisse.


Abb. 1: Wasseräquivalent des Niederschlags in den letzten 72 Stunden. Der bei kalten Temperaturen und wenig Wind gefallene, lockere Neuschnee hat eine sehr geringe Dichte. Für die Neuschneemengen können die oben dargestellten Mengen grob verdoppelt werden.
 


Abb. 2: Bis Sonntagmittag ist erneut mit rund 10 bis 25 mm Niederschlag zu rechnen. Auch hier ist die Neuschneemenge vermutlich wieder etwas höher anzusetzen.
 


Abb. 3: Der Wind legt am Samstag ordentlich an Stärke zu. Mit am meisten Windeinfluss ist im Lungau, entlang des Alpenhauptkamms sowie allgemein oberhalb von rund 2300m zu rechnen.
 


Abb. 4: Die Wetterentwicklung bis Sonntag, 22.01. am Gitterpunkt St. Johann in Pongau, 600m.
 

Tödlicher Lawinenunfall Aineck

Am vergangenen Sonntag, 15.01. ereignete sich im Skigebiet Aineck/ Katschberg der erste tödliche Lawinenunfall der Saison. Ein Variantenfahrer, welcher alleine unterwegs war, wurde in einer nordexponierten sehr steilen Rinne auf rund 1900m von einer Schneebrettlawine mitgerissen und von den Schneemassen etwa einen Meter tief begraben. Der Wintersportler konnte erst in der Nacht auf Dienstag im Rahmen einer aufwendigen Suchaktion der Bergrettung geortet und leider nur mehr tot geborgen werden.

Die Unfallerhebung durch die Alpinpolizei am darauffolgenden Dienstag deutet darauf hin, dass starker Südwind im flachen Gipfelbereich zur Verfrachtung von lockeren Schnee in den oberen, sehr steilen Bereich der Rinne geführt hat, wo sich dieser als Triebschnee ablagerte. Es handelte sich der Ablagerung nach zu urteilen um eine kleine bis mittelgroße Schneebrettlawine, welche im Steilgelände jedoch ausreichte, um den Variantenfahrer mitzureißen. Zum Unfallzeitpunkt herrschte oberhalb von 2000m Gefahrenstufe 2, Mäßig, darunter Gefahrenstufe 1, Gering.

Ungünstig im Hinblick auf die Verschüttung erscheint, dass der Skisportler in der Abfahrt die Stockschlaufen um die Handgelenke gelegt hatte. Im Einzelfall ist schwer abzuschätzen, wie dies den Unfallverlauf beeinflusst hat, allgemein ist aber dringend anzuraten, im freien Gelände keine Stockschlaufen zu verwenden, da diese während des Lawinenabgangs als Anker dienen können.


Abb. 5: Die Schneebrettlawine löste sich vermutlich im oberen Bereich dieser sehr steilen nordexponierten Rinne. Die zahlreichen Spuren stammen von den Bergrettern, welche den vermissten Variantenfahrer am Tag nach dem Unfall im Bereich unterhalb der Steilstufe auffinden konnten. In der Nacht von Sonntag, 15.01. auf Montag, 16.01. schneite es am Aineck etwa 20cm (Foto: Alpimnpolizei, 17.01.2023).
 

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Abb. 6: Die Rinne ist im oberen Bereich zumindest sehr steil (> 35°). Vermutlich wurde durch den Südwind Schnee eingetragen und als Triebschnee in der Rinneneinfahrt abgelagert (©Openslopemap).

 

Rückblick


Abb. 7: Wochenrückblick anhand einer Wettergrafik der Station Marchkar in Rauris: Gut zu erkennen sind die sehr warmen Temperaturen des vergangenen Sonntags, 15.01. und der darauffolgende Temperatursturz. In den letzten Tagen war nur wenig Wind mit im Spiel, bei kalten Temperaturen viel allerdings immer wieder etwas Neuschnee.
 


Abb. 8: Der Winter kann es doch noch: Pulvertraum am Gabel (2037m) in den nördlichen Niederen Tauern (Foto: Peter Bruckbauer, 16.01.2023)
 


Abb. 9: Blick vom Hochsaalbachkogel (2212m) in die Hohen Tauern. Zu Wochenbeginn sorgte der teils stürmische Südföhn für beeindruckende Bilder (Foto: Uta Philipp, 16.01.2023).
 


Abb. 10: In der Folge bildeten sich stellenweise störanfällige Triebschneepakete, wie hier am Stubnerkogel (2246m) in Gastein. Dieses kammnahe Schneebrett löste sich vermutlich spontan (Foto: Wolfgang Russegger, 17.01.2023).
 


Abb. 11: Gebietsweise liegt nun eine beachtliche Menge Neuschnee über dem im Bild farblich deutlich abgesetzten darunterliegenden Altschneefundament. Im Bild ein Profilstandort in Zauchensee an einem Nordosthang auf rund 1800m (Foto: LWD Salzburg, 20.01.2023).


Abb. 12: Auch auf Kämmen und Graten liegt derzeit noch frischer, kalter und sehr lockerer Neuschnee, wie hier am, Tagweidegg (2135m) bei Zauchensee. Mit Wind bilden sich am Wochenende frische, störanfällige Triebschneeansammlungen (Foto: LWD Salzburg, 20.01.2023).

 


 


Matthias Walcher ist neu im Team der Lawinenprognostiker*innen des Lawinenwarndienstes Salzburg. Neben der Verfassung von Lawinenvorhersagen und Blogeinträgen arbeitet er mit benachbarten Warndiensten an diversen Projekten im Fachbereich. In seiner Vergangenheit hat Matthias bereits für verschiedene europäische Warndienste gearbeitet, in Nord- und Südamerika Erfahrungen gesammelt und ist heute auch privat noch in verschiedenen Institutionen aktiv.