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Altschneeproblem: Das heimtückischste aller Lawinenprobleme

Altschneeproblem: Das heimtückischste aller Lawinenprobleme

Ergiebiger Schneefall hat die Lawinengefahr ab Dienstag markant ansteigen lassen. In den vergangenen Tagen bekamen wir Rückmeldungen zu spontanen Lawinen und Fernauslösungen. Der Grund dafür ist ein Altschneeproblem.

Ausgangslage - Wetter

Auslöser der Schneefälle waren Ausläufer des Sturmtief Éowyn. Der Kern des kräftigen Tiefs lag über Irland, wodurch die Alpen zunächst eine südliche Anströmung erfuhren. Am Montag bildete sich deswegen starker Südföhn aus. Die Luftmassen über Salzburg waren mild, die Nullgradgrenze lag am Montag auf über 2000m.
Im weiteren Verlauf zog eine Front aus Nordwest Richtung Alpen. Sie bewirkte südlich der Alpen ebenfalls eine Tiefdruckbildung, die die Luftmassen weiter von Süden an die Alpen drückte. Es kam also zu Niederschlägen, die aus südlicher und nordwestlicher Richtung aufzogen.
Die Kaltfront versuchte die milden Luftmassen über Salzburg zu verdrängen, während das Tief südlich der Alpen weiter milde Luftmassen nach Norden transportierte. Je schneller sich die kalte Luftmasse durchsetzen würde, desto mehr Niederschlag würde als Schnee fallen.

Prognoseunsicherheiten

Laut Prognose war ein rasches Absinken der Schneefallgrenze vorhergesagt. Rückmeldungen haben gezeigt, dass der Rückgang der Schneefallgrenze langsamer passierte als gedacht. Die Folge war eine Durchfeuchtung der Schneedecke bis auf 1900 m (am Hauptkamm).
Auch die Schneemengen am Alpenhauptkamm waren durch das Zusammentreffen von milder und kalter Luft schwer zu prognostizieren. Insgesamt fielen im Schwerpunkt der Niederschläge in der Glockner- und Venedigergruppe ca. 50cm Neuschnee.

Abb.1: Analyse der Niederschlagssummen in mm. Der Schwerpunkt der Niederschlags erstreckte sich über den gesamten Alpenhauptkamm bis nach Zederhaus. Ein Teil des Niederschlags fiel bis auf rund 2500 m als Regen.

Altschneeproblem

Insgesamt liegt diesen Winter in Salzburgs Bergen bisher unterdurchschnittlich viel Schnee. Durch die geringe Schneedeckenmächtigkeit wurde die aufbauende Umwandlung in der Schneedecke begünstigt. Sowohl durch die relativ tiefen Temperaturen Mitte Jänner als auch durch die Abkühlung der oberflächennahen Schichten in den klaren Strahlungsnächten entstand immer wieder ein großer Temperaturgradient in der Schneedecke. Dadurch konnten sich potenzielle Schwachschichten kantiger Kristalle ausbilden. Derzeit befinden sich diese Schichten vor allem unter der Kruste die sich durch den Regeneintrag bis auf rund 2500 m zu Beginn des Niederschlags bildete und bodennah.

In den letzten Tagen wurden spontane, fernausgelöste und von Wintersportlern ausgelöste Schneebrettlawinen im Altschnee gemeldet. Räumlich kommen die Rückmeldungen vor allem vom vorgelagerten Alpenhauptkamm und aus dem Lungau. Grundsätzlich ist jedoch davon auszugehen, dass das Altschneeproblem im gesamten Bereich der Tauern vorhanden ist. In weniger ausgeprägter Form auch in anderen Regionen. Besonders gefährdet sind sehr steile Schattenhänge. Ständig stark befahrenes Gelände (Variantenbereich) ist jedenfalls günstiger, da sich die Schwachschichten im Altschnee hier meist nicht gleichmäßig ausbilden könnten. Vorsicht ist auch dort geboten, wo auf Grund des Schneemangels zuvor nur wenige Spuren vorhanden waren.

Altschneeproblem: Das heimtückischste aller Lawinenprobleme

Ein Altschneeproblem bringt zwei große Herausforderungen für Wintersportler mit sich:

1. Gefahrenstellen sind nicht erkennbar und schwer einzuschätzen.

Anders als beim Triebschneeproblem, kann man Gefahrenstellen im Altschnee nicht bzw. kaum an der Beschaffenheit der Schneeoberfläche erkennen. Während man bei einem frischen Triebschneeproblem häufig mehr Lawinen im Gelände sieht, sind Lawinen im Altschnee oft seltener und weniger augenscheinlich. Deshalb entsteht bei einem Altschneeproblem häufig ein trügerisches Sicherheitsgefühl. Das Gefahrenpotenzial ist bei einem Altschneeproblem meist größer. Das liegt vor allem daran, dass Lawinen bei einem Altschneeproblem häufig größer werden. Eine geringe Schneebedeckung ist kein Zeichen für Sicherheit. 

2. Ein Altschneeproblem ist langlebig und beruhigt sich nur langsam.

Von einem Altschneeproblem sprechen wir dann, wenn die Schwachschicht aus aufbauend umgewandelten Kristallen oder aus Oberflächenreif besteht. Diese Kristallformen bleiben lange störanfällig. Die Auslösewahrscheinlich nimmt zwar stetig leicht ab, die zu erwartende Lawinengröße und damit das Gefahrenpotenzial aber kaum. 

Handlungsempfehlung:

Die Handlungsempfehlung bei einem Altschneeproblem lautet Zurückhaltung bei der Geländewahl. Große, steile Schattenhänge sollten vor allem in dem im Lawinenbericht ausgewiesenen Expositionen und Höhenlagen gemieden werden. Ein Wummgeräusch ist ein eindeutiges Gefahrenzeichen, welches auf ein Altschneeproblem hindeutet. Der sichere Umgang mit einem Altschneeproblem erfordert vor allem auch Geduld. Auch am Wochenende ist noch mit Aktivität zu rechnen. Obwohl die Auslösewahrscheinlichkeit nach und nach abnimmt, ist auch am Wochenende noch mit Auslösungen im Altschnee zu rechnen. Dies vor allem an sehr steilen Schattenhängen oberhalb von rund 2000 m.  

Abschließend noch ein Appell: Wenn ihr Lawinen im Gelände auslöst, seht oder einen Abgang beobachtet, bitten wir euch dies zu melden. Erstens helft ihr der Bergrettung durch einen Anruf an 140 (Bergrettungs-Notruf) mit der Einschätzung der Situation. Zweitens helft ihr uns als Lawinenwarndienst dabei, unser Bild der Lage zu schärfen. Mit Rückmeldungen zu Lawinenereignissen können wir genauere regionalen Prognosen erstellen. Wir betreuen für die Rückmeldung von Lawinenereignissen zwei Plattformen:

LAWIS
SNOBS - SNow OBServation LO.LA

 

Abb.2: Fernauslösung durch zwei Skitourengeher am 30.01. am Schwarzkopf in Fusch auf rund 2300 m. Im Bereich der blauen Scharte lösten die Tourengeher einen bereits unter ihnen liegenden Hang aus der Ferne aus. Die Ablagerung reichte bis über ihre Aufstiegsspur (© Mayer G). 

 

Abb.3: Am Seeköpfl im östlich vom Mühlbachsee in den Radstädter Tauern wurde Triebschnee auf einer bodennahen Schwachschicht abgelagert. Skitourengeher lösten den Osthang auf 2200 m am 30.01. in der Abfahrt aus (© Filzmoser S.).

Abb. 4: Auch am vorgelagerten Alpenhauptkam im Gasteinertal kam es zu einem Lawinenabgang im freien Variantengelände im Bereich Stubnerkogel (Jungeralm). Die Auslösung wurde nicht beobachtet aber die Lawine ist vermutlich schon am 29.01. spontan abgegangen (© Lahnsteiner S.). 

Abb. 5: Ein weiterer Lawinenabgang im Altschnee wurde im Bereich Stubnerkogel während Sicherungsarbeiten der Lawinenkommission gemeldet (©Wallner M.). 

 



Anna Heuberger kennt durch ihre Ausbildung als Skiführerin und ihr Studium der Alpinen Naturgefahren die vielen Facetten von Schnee im alpinen Gelände. Anna hat außerdem nicht nur in den heimischen Bergen Erfahrung in der Gefahrenbeurteilung gesammelt, sondern auch in den Bergen Nord- und Südamerikas.