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Markante Erwärmung mit Nassschneezyklus

Am Wochenende erwarten uns für die Jahreszeit ungewöhnlich hohe Temperaturen und viel Sonne. Bei bis zu 8 Grad auf 3000 m wird die Schneedecke in hohen Lagen vielerorts erstmals durchfeuchtet und es ist mit erheblicher Nass- und Gleitschneeaktivität zu rechnen. Besonders bei Zustiegen zu Hütten oder Hochtouren ist Vorsicht und vor allem eine gute Zeiteinteilung geboten. Spontane Lawinen können vereinzelt groß werden und in kanalisierten Sturzbahnen bis ins Grüne vorstoßen.

Schneedecke

Derzeit liegt ab 1700 m zumindest an Schattenhängen eine meist noch geschlossene Schneedecke. Mit der Höhe nimmt die Schneedeckenmächtigkeit rasch zu und zwischen 2200 und 2500 m liegen vielerorts noch zwischen 150 und 250 cm Schnee. Am Freitag war die Schneedecke nordseitig oberhalb von rund 2400 m meist noch trocken, südseitige wurde sie bereits bis auf über 2800 m durchfeuchtet. Ost- und Westhänge haben oberhalb von rund 2400 m bis jetzt noch kleine Kältereserven speichern können. Dieses Bild ändert sich am Wochenende und der erste große Nassschneezyklus im Hochgebirge steht bevor. 

Abb.1: Der Temperaturverlauf zeigt sowohl am Samstag als auch am Sonntag deutliche Plusgrade auf 3000 m. Die Nullgradgrenze wird am Sonntag auf 4200 m prognostiziert. 

Was bewirkt die Erwärmung in der Schneedecke?

An Südhängen im Hochgebirge, an Ost- und Westhängen unterhalb von rund 2800 m sowie an Nordhängen unterhalb 2400 m erfährt die Schneedecke am Wochenende erstmalig eine tiefgreifende Durchnässung und wird dadurch geschwächt.
Die Erwärmung und die Sonneneinstrahlung führen zu einem Feuchtigkeitseintrag in die Schneedecke. Der nasse Schnee verliert an Festigkeit und die Auslösewahrscheinlichkeit nimmt zu. In der Sturzbahn wird weiterer "fauler" Schnee mobilisiert und Lawinen können dadurch groß werden. Diese nassen Lockerschneelawinen beginnen meist in felsdurchsetztem Steilgelände, können aber bei ausreichendem Wassergehalt auch in weniger steilem Gelände spontan abgehen. Simulationen zeigen eine zunehmende Durchfeuchtung der Schneedecke im Laufe des Wochenendes. 

Abb. 2: Die Simulation basierend auf einem Schneeprofil und Prognosedaten in der Glocknergruppe zeigen, dass die Durchnässung auf Osthängen um 2400 m bis zum Sonntag, 7. April, rund 30 cm in die Schneedecke hineinreicht (Danke Leo Zoltan für die Auswertung). 

Überlicherweise werden tieferliegende Schwachschichten in der Altschneedecke durch die erstmalige Durchfeuchtung bis hin zur Schwachschicht wieder aktiviert. Dieses Jahr ist die Schneedecke dank der starken Schneefälle im Frühwinter und der meist milden Temperaturen recht günstig aufgebaut. Schwachschichten befinden sich am ehesten in schneearmen Bereichen. Vereinzelt können kantige Schichten im Bereich vom Krusten auf die Durchfeuchtung ansprechen.

Abb. 3: Derzeit inaktive kantige Schichten im Bereich von Krusten könnten durch die Erwärmung vereinzelt wieder angesprochen werden. 

Neben der Nasschneeproblematik ist am Wochenende auch mit einem erheblichen Anstieg der Gleitschneeaktivität zu rechnen. Anders als im Hochwinter kommt der Feuchtigkeitseintrag dabei weniger von der gespeicherten Bodenwärme und mehr von den Witterungseinflüssen an der Schneeoberfläche. Obwohl Gleitschneelawinen auch in Frühjahr zu jeder Tages- und Nachtzeit abgehen können, nimmt die Gleitschneeaktivität daher im Tagesverlauf zu.

Verhaltensempfehlung zum Wochenende

Abb. 4: Im hinteren Käfertal in Fusch haben sich zahlreiche steile Sonnenhänge bereits entladen. Am Wochenende wird erwartet, dass sich die Aktivität auch in höhere und in weniger sonnenexponierten Lagen ausweitet. 

Samstag:

Die Nacht von Freitag auf Samstag ist leicht bzw. wechselnd bewölkt. Das heißt die Schneedecke kann nur bedingt abstrahlen und es ist davon auszugehen, dass der meist dünne Schmelzharschdeckel rasch aufweicht und die Durchfeuchtet bzw. Durchnässung rasch voranschreitet. Zumindest unterhalb von 2400 m ist damit das Fenster an dem man süd- oder ostseitige Einzugsgebiete mit geringem Risiko durchqueren kann kurz. Nord- und Westseitig ist es auf Grund des geringeren Strahlungseinflusses zumindest am Vormittag noch günstiger. Später dürfte die Durchfeuchtung auch nordseitig bis auf rund 2400 m zu ersten Nasschneelawinen führen.

Sonntag:

Die Nacht zum Sonntag verläuft größtenteils klar und es sollte sich ein meist tragfähiger Schmelzharschdeckel bilden. Die Temperatur steigt zum Sonntag noch einmal etwas an, es wird wieder sonnig und es ist mit einem Tagesgang der Lawinengefahr zu rechnen. 

Den genauen Zeitpunkt für das Eintreten eines umfangreichen Nassschneezyklus zu nennen ist schwierig, da er von mehreren meteorologischen und schneedeckenspezifischen Faktoren abhängt. Ein wichtiger Faktor ist die Bewölkung. Bewölkte Nächte verhindern ein Abstrahlen und damit das Austrocknen der Schneeoberfläche. Der Bewölkungsgrad in der Nacht entscheidet darüber, ob und wie lange sich ein tragfähiger Schmelzharschdeckel an der Schneeoberfläche bilden kann bzw. wie lange es braucht, bis er schmilzt und die Schneedecke wieder an Festigkeit verliert. Bewölkung untertags hingegen reduziert den Strahlungseinfluss  und verlangsamt oder verhindert den Anstieg der Lawinengefahr.

Abb. 5: Die Abfahrt über gefrorene Lawinenablagerung ist zwar alles andere als ein skifahrerischer Hochgenuss, aber es ist auch ein Hinweis dafür, dass sich früh Aufstehen an Tagen mit erhöhter Nassschneeaktivität lohnt (© Uta Philipp). 

Generell gilt es bei Frühjahrsituationen die Durchfeuchtung im Blick zu behalten und nicht davor zu scheuen, eine Tour frühzeitig abzubrechen bzw. umzukehren, wenn die Durchfeuchtung schneller vorangeht als erwartet. Dabei sollte die Zeit, die es braucht, um den Bereich unter Einzugsgebieten zu verlassen, unbedingt mitgedacht werden. Der Zeitraum an dem geringe Lawinengefahr mit perfekten Firnbedingungen zu einer erheblichen Gefahr übergeht ist oft kurz. 

 


Anna Heuberger ist neu im Team des Lawinenwarndienstes. Durch ihre Ausbildung als Skiführerin und ihr Studium der Alpinen Naturgefahren kennt sie die vielen Facetten von Schnee im alpinen Gelände. Anna hat außerdem nicht nur in den heimischen Bergen Erfahrung in der Gefahrenbeurteilung gesammelt, sondern auch in den Bergen Nord- und Südamerikas.