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Hochalpines Altschneeproblem, frischer Triebschnee ab dem Wochenende

Etwas Neuschnee zu Beginn der Woche, gefolgt von sonnigem spätwinterlichem Wetter sorgte in den vergangenen Tagen für gute Tourenbedingungen. An hochalpinen Sonnenhängen erreichten uns Rückmeldungen zu einer störanfälligen Schwachschicht, welche auch zu zwei Lawinenunfällen führte. Ab Freitag, 07.04. ist es überwiegend bewölkt, am Wochenende fällt mit einer Nordwestströmung erneut etwas Neuschnee.

Aktuelle Situation

Allgemein herrschen derzeit sehr günstige Tourenbedingungen. Der Neuschnee welcher mit einer Kaltfront ab Sonntagabend, 02.04. bis Dienstagmorgen, 04.04. gefallen ist, lagert oft auf einer gut gesetzten, kompakten Altschneedecke – welche in den Wochen zuvor stark von Wärmeintrag gekennzeichnet war. Wie im letzten Blogeintrag noch gemutmaßt, hat sich in der Zwischenzeit bestätigt, dass sich an oberflächennahen Schmelzkrusten (vermutlich vom 24.03.) eine Schwachschicht nach dem Gefahrenmuster kalt auf warm ausgebildet hat. Rückmeldungen aus dem Gelände weisen vor allem auf eine erhöhte Störanfälligkeit an Südhängen (SO-S-SW) oberhalb etwa 2800m hin. Zudem haben sich mit dem mäßig bis starkem Nordwestwind vor allem am Alpenhauptkamm sowie südlich davon meist kleine Triebschneeansammlungen in Kammnähe gebildet. Diese dürften jedoch auch nur mehr vereinzelt in hochalpinen Lagen anzusprechen sein. Schwachschichten tiefer in der Schneedecke sind besonders an Schattenhängen oberhalb 2500m noch anzutreffen, sind aber derzeit nicht – oder nur durch große Zusatzbelastung (z.B. Durchreißen einer primär oberflächennah angebrochenen Lawine) zu stören.


Abb. 1: Schneedeckenuntersuchungen im Bereich der Fürther Hütte (2201m) im Hollersbachtal (Foto: Tatjana Gugganig, 04.04.2023)…


Abb. 2: …Stabilitätstests zeigen an diesem Standort an einem Nordwesthang auf 2550m eine Störanfälligkeit von Schwachschichten im Bereich von Krusten. Die am markantesten ausgeprägte Schwachschicht im unteren Teil der Schneedecke ist von einem kompakten mittleren Schneepaket überdeckt und durch Skifahrer kaum zu initiieren (Link zum Profil).
 


Abb. 3: An Sonnenhängen sind die Schwachschichten an oberflächennahen Schmelzkrusten reaktiver und neigen zur Bruchfortpflanzung. Die im Bild rot eingefärbte Schneebrettlawine wurde von einem abfahrenden Snowboarder am Hocharn (3254m) an einem Südhang auf ca. 2900m ausgelöst. Die rechte Lawine löste sich in der Folge sekundär (Foto: Alpinpolizei, 05.04.2023).

Etwas ungünstig im Hinblick auf skibergsteigerische Unternehmungen ist die bereits recht hohe Schneegrenze. Häufig muss man bis man zu einer zusammenhängenden Schneedecke gelangt die Skier bereits bis zur Waldgrenze tragen.


Abb. 4: Blick ins Hollersbachtal: bis auf 1800m ist die Schneedecke oft nicht mehr zusammenhängend vorhanden. Wer den oft mühsamen Zustieg in Kauf nimmt wird in der Höhe jedoch mit meist sehr guten Tourenverhältnissen belohnt (Foto: LWD Salzburg, 04.04.2023).
 

Weitere Entwicklung

Der Einfluss des Hochdruckgebiets über Skandinavien, welches in den vergangenen Tagen kalte, trockene Luft zu den Alpen herangeführt hat, nimmt ab. Ab Freitag, 07.04. und am Osterwochenende ist es meist bewölkt, die Temperaturen nehmen etwas zu, die Nullgradgrenze bewegt sich aber zumindest bis Mitte nächster Woche stets unter 2000m. Die Nordströmung, welche am Wochenende übers Land zieht bringt auch etwas Niederschlag mit sich. Oberhalb 1000- 1500m ist nördlich vom Hauptkamm recht verbreitet mit 10 bis 20 cm Neuschneezuwachs zu rechnen. In den westlichen Hohen Tauern kann es in den Hochlagen auch etwas mehr sein, im Lungau nehmen die Neuschneemengen gen Süden recht rasch ab.


Abb. 5: Wetterentwicklung bis Dienstag, 11.04. am Gitterpunkt Mooserboden auf 2030m. Der meiste Neiderschlag ist in der Nacht auf Ostersonntag zu erwarten, die Temperaturen bleiben kalt.
 


Abb. 6: Niederschlagsprognose in Millimeter bis Sonntagmorgen, 09.04. Verbreitet fallen 10 bis 20mm Niederschlag, oberhalb etwa 1000m in Form von Schnee.
 

Mäßig bis starker Wind führt v.a. entlang des Hauptkamms und südlich davon in der Höhe zu frischen, störanfälligen Triebschneeansammlungen. Dies besonders in Kamm- und Gipfelbereichen. In etwas windgeschützteren Lagen sind aber vermutlich wieder sehr gute Verhältnisse anzutreffen.

Besondere Vorsicht gilt weiterhin Schwachschichten im Altschnee, welche an sehr steilen Hängen oberhalb 2500m stellenweise angesprochen werden können. Die frischen Triebschneeansammlungen sollten nach Möglichkeit gemieden werden – ein Durchreißen in tieferliegende Schwachschichten an großen, sehr steilen Hängen sollte in der Routenwahl mitberücksichtigt werden.

Rückblick

Ein kurzer Rückblick der vergangenen Tage in Bildern.


Abb. 7: Wetterentwicklung in der vergangenen Woche an der automatischen Wetterstation am Hohen Sonnblick (3105m): Mit Eintreffen der Kaltfront in der Nacht auf Montag, 03.04. fielen die Temperaturen deutlich ab und es wurden bis Dienstagmorgen, 04.04. rund 20mm Niederschlag verzeichnet. Der Wind aus Nordost blies stürmisch, die Luftfeuchtigkeit ging mit der trockenen Luft ebenfalls deutlich zurück.
 


Abb. 8: In windexponierten Lagen – im Bild die Große Kesselspitze (2156m) in Obertauern – hat der Wind den Neuschnee verblasen und eine erodierte Schneedecke hinterlassen. Aufgrund der niedrigen Luftfeuchtigkeit wurde viel verblasener Schnee jedoch wieder von der Luft aufgenommen (Sublimation) und nicht als Triebschnee im Windschatten abgelagert (Foto: Andreas Kiefer, 04.04.2023).
 


Abb. 9: Windgeschützt konnten in den vergangenen Tagen traumhafte Bedingungen angetroffen werden. Künstlerische Spuren im Schnee am Medalkogel (2123m) in den Kitzbüheler Alpen (Foto: Uta Philipp, 04.04.2023).
 


Abb. 10: Lawinenunfall am Gabler (3263m) in der Reichenspitzgruppe an der Grenze zu Nordtirol. Eine Gruppe von sechs Personen löste im Abstieg zu Fuß in Richtung Richterhütte diese mittelgroße Schneebrettlawine an einem extrem steilen (>40°) Südhang auf rund 3000m aus. Eine Person wurde in der Folge mitgerissen und verletzt. Als Schwachschicht diente vermutlich ebenfalls eine Schicht aus kantigen Kristallen an einer Schmelzharschkruste (Foto: Alpinpolizei, 04.04.2023).
 


Abb. 11: Nahaufnahme des Anriss- und Auslösebereichs. Unmittelbar hinter dem Grat konnte der frische Triebschnee gestört werden, das ausgelöste Schneebrett initiierte durch seine Zusatzbelastung Schwachschichten tiefer in der Schneedecke (Foto: Alpinpolizei, 04.04.2023).
 


Abb. 12: Nahaufnahme der Unfalllawine aus Abb.3 am Hocharn (3254m). Der Bereich, wo sich das Schneebrett löste ist im Bild als sehr glatt und gleichförmig erkennbar, der Abschluss dieses Bereiches ist nach unten hin linienförmig begrenzt. Diese wallförmige Abscherung wird Stauchwall genannt (Foto: Alpinpolizei, 05.04.2023).


Abb. 13: Winterkulisse zum Zunge schnalzen: Aufstieg zum Stubacher Sonnblick im Panorama der Hohen Tauern (Foto: Christof Slavicek, 04.04.2023).
 


Abb. 14: Die weltalte Majestät in all ihrer Pracht. Die Spaltenbedeckung ist auch dieses Jahr aufgrund der recht geringen Schneemächtigkeit noch grenzwertig und sollte bei Gletscherbegehungen berücksichtigt werden! (Foto: Patrick Kontschieder, 04.04.2023).
 


Abb. 15: Winterliche Ausblicke im Frühjahr. Das Hochkönigmassiv vom Ahornstein (1855m).
 

Das Team des LWD Salzburg wünscht Frohe Ostern und weiterhin gelungene, unfallfreie Touren!

 


 


Matthias Walcher ist Lawinenprognostiker im Team des operativen Lawinenwarndienstes Salzburg bei der Geosphere Austria. Neben der Verfassung von Lawinenvorhersagen und Blogeinträgen arbeitet er mit benachbarten Warndiensten an diversen Projekten im Fachbereich. In seiner Vergangenheit hat Matthias bereits für verschiedene europäische Warndienste gearbeitet, in Nord- und Südamerika Erfahrungen gesammelt und ist heute auch privat noch in verschiedenen Institutionen aktiv.