Beitrag

Neuschnee und Wind in den Hochlagen

Von Donnerstag bis Samstag fallen bzw. fielen in den Hohen Tauern und in den Nordalpen bis zu 80 cm Neuschnee. Bei einer stark schwankenden Schneefallgrenze zwischen 1000 m und 2000 m und viel Wind ist in den Hochlagen mit einem umfangreichen Triebschneeproblem zu rechnen. In den mittleren und tiefen Lagen stehen das Gleit- und Nassschneeproblem im Vordergrund.

Ausblick 

Die vergangene Woche war von wechselhaftem Wetter mit schwankenden Temperaturen, mehreren kleineren Niederschlagsereignissen und teils stürmischen Wind geprägt. Die Woche verabschiedet sich nun mit teils ergiebigen Schneefall und Wind in den Hochlagen. Bis Donnerstagmittag hat es am Alpenhauptkamm und in den Nordalpen vereinzelt Neuschneezuwächse von 60 cm innerhalb der letzten 12 Stunden gegeben. In der Nacht von Donnerstag auf Freitag kommen in denselben Regionen noch einmal um die 5-15 cm dazu. Von Freitag auf Samstag bis zu 20 cm. 

Abb.1: Prognostizierte akkumulierte Neuschneemenge von Donnerstag 01:00 bis Samstag 01:00. Besonders im Bereich der Hohen Tauern und in den Nordalpen können über 2000 m gebietsweise 80 cm Neuschnee zusammenkommen. Darunter fällt zumindest ein Teil des Niederschlags als Regen. 

Die Schneefallgrenze schwankt weiterhin zwischen 1300 m und 1800 m und der Wind bleibt bis in die Morgenstunden des Samstags stark bis stürmisch aus nordwestlicher Richtung.

Abb.2: Punktprognose für die Goldbergbahn in Sportgastein von Donnerstag, 25.01.24, 13:00 bis Samstag, 27.01.24, 13:00.

Abb. 3: Punktprognose für das Tenneck im Hagengebirge von Donnerstag, 26.01.24, 19:00 bis Dienstag, 30.01.24, 13:00.

Verhaltensempfehlung zum Wochenende

Das wechselhafte Wetter führt dazu, dass die vorherrschenden Lawinenprobleme am Wochenende stark höhenabhängig sind. In den Hochlagen besteht ein ausgeprägtes Triebschneeproblem, während in den mittleren und tiefen Lagen das Gleit- und Nassschneeproblem vorrangig sind. 

Triebschneeproblem: Für Wintersportler angespannte Lawinensituation!

In den letzten Tagen und Wochen hatten wir immer wieder Situationen, in denen frische Triebschneepakete an einigen Gefahrenstellen zwar leicht auszulösen waren, Lawinen aber häufig klein bis maximal mittelgroß wurden. Die Gefahrenstellen und das Risiko waren dadurch oft ganz gut einzugrenzen. Am Freitag und zum Wochenende hin gilt es umzudenken. Das Triebschneeproblem ist in den Hochlagen umfangreich und Lawinen können deutlich größer werden. Die hohen Neuschneesummen von bis zu 80 cm werden durch starken bis stürmischen Wind stark verfrachtet und auch kammfern abgelagert. 

Aufgrund der weit verbreiteten, schwer einzugrenzenden und umfangreichen Triebschneeansammlungen empfehlen wir eine klare Zurückhaltung bei der Geländewahl. 

Bei Lawinenwarnstufe 3 ist bei der Geländewahl aufgrund möglicher spontaner oder fernausgelöster Lawinen auch das nähere Einzugsgebiet mitzudenken. Querungen unter sehr steilen Triebschneehängen sollten gemieden werden. Außerdem ist bei der Wahl sicherer Sammelpunkte und Aufstiegsspuren die größere potenzielle Auslauflänge von Lawinen in Betracht zu ziehen. 

Unter rund 2000 m ist durch die milden Temperaturen und den Regeneintrag davon auszugehen, dass es weniger Gefahrenstellen im Triebschnee gibt, und dass das Problem auch kurzweiliger ist.

Gleitschneeproblem

Durch die neuschneebedingte Lastzunahme in den Hochlagen und durch den Regeneintrag in den mittleren und tiefen Lagen ist mit einer leichten Zunahme der Gleitschneeaktivität zu rechnen. In Bereichen mit großer Schneedeckenmächtigkeit können Lawinen mittelgroß, vereinzelt auch groß werden. Bereiche unter Gleitschneerissen sollten gemieden werden.

Nassschneeproblem

Durch den Regeneintrag verliert die Schneedecke an Festigkeit und oberflächennahe Schichten können als nasse Lockerschneelawine abgleiten. Durch die Mobilisierung von nassem Schnee in der Sturzbahn können Lawinen mittelgroß werden. Bei starker Durchfeuchtung (vor allem unterhalb von 1800 m) sind Bereiche mit sehr steilen Böschungen, lichten Wäldern sowie Hängen und Gräben vorsichtig beurteilen und je nach Gefährdungslage meiden oder jedenfalls einzeln passieren.

Schneedeckenaufbau 

Der untere Teil der Schneedecke ist verbreitet recht stabil.

Kantige Kristalle, die sich in der Kältephase Mitte Jänner an der Oberfläche entwickeln konnten, bilden eine potenzielle Schwachschicht im mittleren Teil der Schneedecke. Bis rund 2100 m hat sich durch die markante Erwärmung am 17.01. auf den kantigen Kristallen eine dünne Schmelzkruste bzw. Eislamelle gebildet. Über 2000 m kann diese Schicht stellenweise störanfällig sein. 

Abb.4: Das Schneeprofil aus den westlichen Kitzbühler Alpen (Kröndlhorn- 2000 m/W) vom 21.01.24, zeigt die potenzielle Schwachschicht unter einer dünnen Schmelzkruste bei 92 cm. 

Neue Schwachschichten werden im Triebschnee der nächsten Tage erwartet. Durch die variierende Schneefallgrenze und den starken Wind können lockere Schichten immer wieder von härteren überlagert werden. Optimale Bedingungen für die Bildung von Schneebrettlawinen. 

 

Rückblick in Bildern

Abb. 5: Auf der Südflanke der Windschaufel in den Radstädter Tauern sieht man an der Schneeoberfläche die Gleitbewegung der Schneedecke am Untergrund. Den Spuren nach war die Skiqualität Anfang der Woche jedoch auch an sehr steilen südexponierten Hängen noch gut (© Johann Allgeier).

Abb.6: Auch am Imbachhorn in den vorderen Hohen Tauern war abseits der abgewehten Kämme noch kalter Pulverschnee zu finden (© Uta Philipp).

Abb. 7: Schöne Spüren wurden auch am First im Hochkönigmassiv bei beeindruckender Kulisse gezogen (© Stock Leonhard).

Abb.8: Das Gleitschneeproblem ist ein treuer, wenn auch nicht gern gesehener Begleiter diesen Winter. Bei ausreichender Schneedeckenmächtigkeit wie hier in Rauris sind beachtliche Anrissmächtigkeiten möglich (© Wolfgang Rohrmoser).



Anna Heuberger ist neu im Team des Lawinenwarndienstes. Durch ihre Ausbildung als Skiführerin und ihr Studium der Alpinen Naturgefahren kennt sie die vielen Facetten von Schnee im alpinen Gelände. Anna hat außerdem nicht nur in den heimischen Bergen Erfahrung in der Gefahrenbeurteilung gesammelt, sondern auch in den Bergen Nord- und Südamerikas.