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Es kündigt sich eine heikle Lawinensituation an

Anstieg der Lawinengefahr am Wochenende

Bis Sonntagmittag fallen auf den Bergen Salzburgs 20 bis 30 cm Neuschnee. Der Niederschlag wird von mäßig bis starkem Nordwest begleitet, welcher den lockeren Schnee intensiv verfrachtet. Neu- und Triebschnee werden auf eine verbreitet schwache Schneedecke abgelagert. Eine somit durchwegs ungünstige Konstellation, welche auf den Bergen im ganzen Land zu einem Anstieg der Lawinengefahr führt. Es ist insbesondere entlang des Alpenhauptkamms mit einer hohen Störanfälligkeit der Schneedecke zu rechnen. Spontane und künstlich ausgelöste Lawinen von mittlerer Größe sind wahrscheinlich.

Summa summarum: Eine durchaus gefährliche Lawinensituation für Wintersportler*innen.


Abb. 1: Bis Sonntagmittag, 11.12. fallen verbreitet 20 bis 30 cm Neuschnee. Am meisten Schnee fällt voraussichtlich entlang des Alpenhauptkamms.


Abb. 2: Die intensivste Phase des Niederschlags ist in den Nachtstunden von Samstag auf Sonntag zu erwarten. Die Temperatur fällt merklich, der Nordwestwind frischt auf und sorgt für Schneeverfrachtungen.

 

Ausgangslage

Oberhalb der Waldgrenze ist die geringmächtige Schneedecke bodennah meist aufbauend umgewandelt, oft findet man noch eingelagerte Schmelzkrusten oder Oberflächenreif (wurde am 29.11. eingeschneit). Neuer Oberflächenreif hat sich in den vergangenen Tagen vielerorts auch an der Schneeoberfläche gebildet und wartet nun darauf, vom Neu- und Triebschnee am Wochenende überdeckt zu werden – und folglich als Schwachschicht zu fungieren. Dieser Fall dürfte besonders in windgeschützten hohen Lagen sowie an Schattenhängen im Bereich der Waldgrenze relevant werden.


Abb. 3: Bis zu 1cm großer Oberflächenreif an Schattenhängen in der Osterhorngruppe. An der Oberfläche schön anzusehen und noch besser zum Skifahren, innerhalb der Schneedecke eine tückische Schwachschicht (Foto: Dominik Trimmel, 08.12.2022).


Abb. 4: Auch auf der Schwarzwand (2214 m) in den Lungauer Nockbergen war ab der Waldgrenze bis auf die Gipfel Oberflächenreif zu finden (Foto: Gregi Moser, 08.12.2022).


Abb. 5: Ein schwacher Schneedeckenaufbau mit zahlreichen Schichten aus kantigen Kristallen oder Tiefenreif und eingelagerten Schmelzkrusten (LWD Salzburg, 08.12.2022, Sportgastein, 2300m, NW).


Abb. 6: Auch Südseitig sind langlebige (persistente) Schwachschichten aus kantigen Kristallen zu finden, welche bei ausreichender Überdeckung mit einem Schneebrett lawinenrelevant werden können (W. Rohrmoser, 07.12.2022, Sonnblick/Rauris, 3000m, SO).

Der Schneedeckenaufbau ist besonders an Schattenhängen sehr schwach. Dies zeigen einerseits Schneedeckenuntersuchungen und Stabilitätstests, wie auch durch Personen ausgelöste Lawinen. Am gestrigen sehr sonnigen Feiertag (08.12.2022) gingen zwei Meldungen über durch Personen ausgelöste Lawinen ein. Am Taferlnock (2375m) in Flachau wurde an einem Nordhang auf 2060m eine mittelgroße Schneebrettlawine ausgelöst. Am Sonnblick im Rauris erfolgte in ähnlicher Exposition und Höhe eine Fernauslösung zwei kleiner Schneebretter. Darüber hinaus erreichte uns die Information einer spontanen Schneebrettlawine am Barleitenkopf (2431 m) im Zederhaustal, welches vermutlich bereits am Dienstag, 06.12. oder Mittwoch, 07.12, aufgrund eines Wechtenbruchs abgegangen ist. Allen drei Ereignissen gemeinsam ist ihre Charakteristik: Schattseitig eingewehter Triebschnee hinter Geländekanten bzw. kammnah in eher windberuhigten Mulden und Rinnen. Die Bruchausbreitung lässt auf ein Altschneeproblem schließen, sprich: auf eine Schwachschicht aus langlebigen, persistenten Schneekristallen.

 
Abb. 7: Spontane Schneebrettlawine aufgrund eines Wechtenbruchs am Barleitenkopf (2431 m) im Lungau (Foto: Christoff Peters, 08.12.2022).


Abb. 8: Fernausgelöste kleine Schneebrettlawinen in einem Nordhang unter dem Schutzhaus Neubau im Rauriser Tal auf ca. 2100 m (Foto: Wolfgang Rohrmoser, 08.12.2022).


Abb. 9: Durch zwei Personen in der Abfahrt ausgelöste Schneebrettlawine in einem extrem steilen Nordhang auf 2060 m am Taferlnock (2375m) bei Flachau (Foto: Alpinpolizei, 08.12.2022).

 

Entwicklung

Wenn mit 20- 30 cm auch nicht unbedingt viel Neuschnee dazukommt, so entsteht aufgrund der schlechten Schneedeckenbasis dennoch eine sehr ungünstige Lawinensituation. Der Triebschnee, welcher sich mit kräftigem Südföhn seit Mittwochnacht gebildet hat und gestern Donnerstag, 08.12. zu den oben erwähnten Ereignissen geführt hat, bleibt störanfällig. Mit Neuschnee und wechselnder Windrichtung werden die Gefahrenstellen überdeckt und sind nicht mehr als solche erkennbar. Zudem bilden sich mit auflebendem Nordwestwind neue störanfällige Gefahrenbereiche. Besonders in der Nacht auf Sonntag wird die Situation für Wintersportler*innen zunehmend heikler. Es sind auch spontane Abgänge wahrscheinlich.

Auch in den darauffolgenden Tagen wird die Lawinensituation angespannt bleiben. Die Altschneeproblematik scheint gekommen um zu bleiben… Eine defensive und überlegte Tourenplanung ist anzuraten.


Abb. 10: Ab Mittwochnacht blies der Südföhn auf der Rudolfshütte (2317 m) stark bis stürmisch.


Abb. 11: Die Schneeoberfläche ist entsprechend windbeeinflusst und unregelmäßig, exponierte Bereiche sind komplett abgeblasen. Auch mit dem Neuschnee vom kommenden Wochenende sind Gefahrenstellen vor allem in windberuhigten Hanglagen anzutreffen.

 


 


Matthias Walcher ist neu im Team der Lawinenprognostiker*innen des Lawinenwarndienstes Salzburg. Neben der Verfassung von Lawinenvorhersagen und Blogeinträgen arbeitet er mit benachbarten Warndiensten an diversen Projekten im Fachbereich. In seiner Vergangenheit hat Matthias bereits für verschiedene europäische Warndienste gearbeitet, in Nord- und Südamerika Erfahrungen gesammelt und ist heute auch privat noch in verschiedenen Institutionen aktiv.