Nach einem Wochenende mit erheblicher Lawinengefahr in den Hochlagen hat sich die Lawinensituation mit sehr milden Temperaturen und stabilen Hochdruckwetter größtenteils rasch beruhigt. Was bleibt ist ein Altschneeproblem auf sonnseitigen Steilhängen im Hochgebirge, welches an wenigen Gefahrenstellen im Gelände noch störanfällig ist. Zum Wochenende hin erwarten wir zudem verbreitet 10-20 cm Neuschnee, in den Nordstaulagen auch mehr. Mit mäßig bis starkem Wind aus nordwestlicher Richtung ist mit meist kleinräumigen Triebschneeansammlungen zu rechnen, eher kurzzeitig störanfällig sein werden.
Aktuelle Situation
Die vergangene Woche war von stabilem Hochdruckwetter geprägt. Bezogen auf das Wetter waren damit perfekte Tourenverhältnisse auf Salzburgs Bergen geboten. Die Schneequalität war vielfältig. Über rund 2000 m ist in windgeschützten, sehr schattigen Hängen noch Pulverschnee zu finden. Exponierte Geländeformen sind stark windbeeinflusst. Dort ist im ständigen Wechsel zwischen Bruchharsch, tragfähigem Windharschdeckel mit ruppigen Windgangeln und abgewehter Schmelzkrusten skifahrerische Flexibilität gefragt. Auf Sonnenhängen hat sich je nach Hangneigung und Exposition bis auf über 2000 m eine tragfähige Schmelzkruste gebildet, die traumhafte Firnabfahrten in der Sonne ermöglichte. Im Laufe des Niederschlagsereignisses von Donnerstag bis Freitag fallen verbreitet 10-20 cm Neuschnee, in den Nordalpen lokal auch mehr. Der hochwinterliche Firn hat sich dadurch vorübergehend wieder verabschiedet und die Suche nach schattigen Abfahrten in neuschneereichen Gebieten könnte sich am Wochenende zumindest in den Hochlagen wieder lohnen.
Am vergangenen Wochenende wurden einige Lawinenabgänge registriert. Großteils waren sie einem Altschneeproblem zuzuschreiben. Obwohl die Störanfälligkeit des Altschneeproblems im Laufe der Woche abgenommen hat und wir derzeit nur von sehr vereinzelten Gefahrenstellen ausgehen, nutzen wir diesen Blog um das Altschneeproblem der vergangenen Woche zu beleuchten.
Verhaltensempfehlung zum Wochenende
Am Wochenende erwarten uns verbreitet günstige Tourenverhältnisse. Auf die folgenden potenziellen Gefahrenstellen sollte bei Touren im oft sonnigen Hochgebirge geachtet werden:
Triebschneeproblem
Triebschneeansammlungen sind gut zu erkennen und sollten gemieden werden. Besonders in Bereich mit erhöhter Absturzgefahr und oberhalb von Geländefallen ist auch bei kleinen Lawinen Vorsicht geboten. Die Störanfälligkeit des Triebschnees nimmt mit der Erwärmung im Laufe des Wochenendes ab.
Altschneeproblem
Auf sehr steilen Südhängen (>35°) oberhalb von rund 2500 m wird auf Grund des Altschneeproblems Zurückhaltung bei der Geländewahl empfohlen. Vor allem auf großen, sehr steilen Flanken können Lawinen mittelgroß, vereinzelt auch groß werden. Gefahrenstellen sind nicht zu erkennen.
Gleitschneeproblem
Es besteht weiterhin eine latente Gefahr von Gleitschneelawinen. Gleitschneelawinen können den Winter über an der selben Stelle mehrmals auftreten. Bereiche unter Gleitschneerissen sollten je nach Gefahreneinschätzung gemieden oder mit Abständen rasch passiert werden.
Altschneeproblem
Entstehung
Ein Blick auf die Stationsdaten vom Hohen Sonnblick zeigt, dass es zwischen 5. und 7. Jänner bei kalten Temperaturen und vergleichweise wenig Wind geschneit hat. Wenn wir uns zurück erinnern, hatten wir zu dieser Zeit in ganz Salzburg 20-40 cm sehr lockeren, kalten Wildschnee an der Schneeoberfläche. Danach setzte recht stabiles Hochdruckwetter ein und es blieb kalt. Während dieser Phase haben sich oberflächennahe Schichten durch den großen Temperaturgradienten in diesem Bereich der Schneedecke kantig aufgebaut. Auf sehr steilen Sonnenhängen hat sich durch die Sonneneintrahlung untertags eine dünne Schmelzkruste bis mindestens 2900 m ausgebildet. Durch die markante Erwärmung am 18.01. hat sich in allen Expositionen bis auf rund 2200 m ebenfalls eine dünne Schmelzkruste ausgebildet. Überall dort wo eine Schmelzkruste vorhanden ist, konnten sich die kantigen Kristalle darunter besonders stark aufbauend umwandeln und wurden vergleichweise groß und somit problematisch. Wo ist diese beschriebene Schwachschicht jetzt noch störanfällig?
Abb. 1: Stationsdaten vom Hohen Sonnblick.
Während der teils ergiebigen Niederschläge um den 24.01. war die Schneefallgrenze zeitweise auf über 2000 m. Der Wärmeeintrag dürfte dazu geführt haben, dass die potenzielle Schwachschicht bis auf 2000-2100 m kaum mehr anzusprechen ist. Auf Schatthängen haben Rückmeldungen gezeigt, dass die Schwachschicht sehr lokal im Höhenband zwischen 2100 und 2300 noch vorhanden ist, es wurde aber keine Lawinenaktivität in diesem Bereich beobachtet. Was bleibt sind hochalpine, sehr steile Sonnenhänge. Hier ist die Konstellation aus kantigen Kristallen unter einer Kruste mit darüber liegendem Brett oberhalb von rund 2500 m vergleichweise flächiger vorhanden.
Abb.2: Profilaufnahme auf einem steilen Südhang im Bereich der Aufstiegsroute auf den Hohen Sonnblick über die Rojacher Hütte auf 2670 m haben gezeigt, dass sich unter der Kruste stellenweise bereits Tiefenreif ausgebildet hat (LWD Salzburg).
Zusammenfassend kann man sagen, dass das Altschneeproblem derzeit nur an wenigen Gefahrenstellen im Gelände anzusprechen ist. Vorsicht ist dort geboten, wo
- die kantige Schwachschicht mitte Jänner durch den Wind nicht zerstört wurde (eher windberuhigte, sehr steile Sonnenhänge (vorgelagerter Alpenhauptkamm),
- Neuschneezuwächse letzte Woche eher gering ausfielen (Auslösewahrscheinlichkeit höher)
- und an Übergängen von wenig zu viel Schnee.
Abb. 3: Am 28.01. wurde auf einem sehr steilen Südosthang auf 2300 m von einen einzelnen Skifahrer eine mittelgroße Lawine ausgelöst. Die gute Bruchausbreitung deutet darauf hin, dass die Lawinen auf das Altschneeproblem zurückzuführen ist.
Abb. 4: Geländeerkung am Sonnblick auf der Suche nach dem Altschneeproblem (LWD Salzburg).
Ausblick
Das aktuelle Niederschlagsereignis bringt verbreitet 10-20 cm Neuschnee, in den Nordalpen lokal bis zu 30 cm. Entlang vom Alpenhauptkamm wird der Niederschlag von starkem Wind begleitet, sonst bleibt der Wind meist mäßig. Die Schneefallgrenze lag zu Beginn des Niederschlagsereignisses am Donnerstag noch bei rund 1400 m und fällt während der Nacht auf Freitag auf 800-1000 m.
Abb.5: Prognostizierte akkumulierte Neuschneemenge während des Niederschlagsereignisses bis Freitag 13:00.
Das Wochenende wird wieder recht sonnig und sehr mild für die Jahreszeit.
Rückblick in Bildern
Abb. 6: Im Flachgau blühen bereits die ersten Leberblümchen und im Gebirge bieten sich frühlingshafte Firnabfahrten wie hier am Steinernen Meer. Zu früh für die Jahreszeit. Ein hoffnungsvoller Blick auf die Neuschneeprognosen der kommenden Tage fällt entschäuschend aus und der Temperaturbalken will derzeit auch nicht abfallen. Trotz der Sehnsucht nach Winter ist der skifahrerische Genuss im Firn auch im Jänner gegeben (© Markus Hirnböck).
Abb.7: Knapp unter der Grüneckkogelscharte im Stubachtal hat sich auf rund 2500 m auf einem Nordosthang vermutlich letzten Freitag oder Samstag eine Lawinen im Triebschnee gelöst und beachtliche Ausmaße angenommen (©Höring Bernadette).
Abb.8: Eine interessante Lawine ist letztes Wochenende auch in Sportgastein dokumentiert worden. Auf einem SW Hang auf 2150 m hat ein geringmächtiges Schneebrett beachtliches Burchausbreitungspotenzial bewiesen (© Wolfgang Feichtner).
Anna Heuberger ist neu im Team des Lawinenwarndienstes. Durch ihre Ausbildung als Skiführerin und ihr Studium der Alpinen Naturgefahren kennt sie die vielen Facetten von Schnee im alpinen Gelände. Anna hat außerdem nicht nur in den heimischen Bergen Erfahrung in der Gefahrenbeurteilung gesammelt, sondern auch in den Bergen Nord- und Südamerikas.