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Winterlich in den Hochlagen

Etwas Neuschnee, aber vor allem der starke Windeinfluss prägten die Lawinensituation zuletzt. Eine mögliche Schwachschicht unter dem Neuschnee der Wochenmitte in Form von Oberflächenreif gilt es weiter zu beobachten, bevor in den nächsten Tagen wieder etwas Neuschnee kommt.

Rückblick

Die ersten Novembertage haben – zumindest in den Hochlagen – den Winter Einzug halten lassen. Nach den Schneefällen vom Wochenende kamen vor allem noch am Dienstag ein paar Zentimeter dazu – unsere Beobachter am Sonnblick-Observatorium meldeten von 3. bis 5. November eine 3-Tages-Neuschneesumme von 90 cm und dann nochmals 20 cm in der Nacht zum Mittwoch. Ergiebig fiel der Schneefall auch im Bereich der Rudolfshütte aus. Mehrfach stürmischer Südwind hat den Schnee umfangreich verfrachtet und teilweise große Dünen entstehen lassen.

Abb. 1: Die Messstation am Moserboden zeigt den Niederschlag und Neuschneezuwachs vom Wochenende und vom Dienstagabend. In der klaren Nacht von Montag auf Dienstag herrschten bei windschwachen Verhältnissen günstige Bedingungen für die Bildung von Oberflächenreif

Mit dem Neuschnee waren in den hochalpinen Bereichen schon erste Schwünge möglich. Durch den starken Windeinfluss haben sich allerdings kleinräumige Triebschneepakete gebildet und für erste kleinere Auslösungen – sowohl spontan als auch ausgelöst durch Wintersportler:innen - gesorgt. Betroffen waren Bereiche, wo vor dem Schneefall bereits eine Altschneeunterlage bestanden hatte.

Markant war in der vergangenen Woche der starke Windeinfluss aus Süd, hochalpin auch aus West. Er hat den Schnee sehr unterschiedlich verteilt. Typisch für den Beginn der Wintersaison: Mit dem ersten Schnee werden unter Windeinfluss Rinnen und Mulden gefüllt und die Geländeunebenheiten ausgeglichen. Wer zu dieser Zeit schon Skitouren unternimmt muss sich einen Fell- und Belag-schonenden Weg suchen.

Abb.2: Schneefahnen über den Tauern gesehen vom Wildkogel und im Foto festgehalten von LWD-Geländebeobachter Andreas Schlick

Abb.3: Variantenfahren bei stürmischem Wind. Wechselnde Schneequalität und leicht auslösbarer Triebschnee. Gefahrenzeichen wir Schneefahnen und Windgangeln an der Schneeoberfläche sind unübersehbar und dokumentiert von LWD-Geländebeobachter Mario Wallner.

Abb.4: Sonnige Tourenverhältnisse am Montag am Hochkönig. Leonhard Stock dokumentiert seine Tour auf den Hochkönig im Tourenportal des LWD (https://skitourenportal.eu/salzburg). Blick vorbei an der Torsäule Richtung Osten. Der Neuschnee hat Rinnen und Mulden aufgefüllt, Grate und Kuppen sind abgeweht.

Abb.5: Dünenbildung vor der Rudolfshütte (M. Maislinger)

 

Aktuelle Situation, mögliche Schwachschicht

In der 3000er Region am Hauptkamm der Hohen Tauern liegen zum Teil schon 70 bis 100 cm Schnee, sonst sind es in den Hochlagen (oberhalb von 2000 m) verbreitet 20 bis 60 cm. Was die Analyse in Abbildung 4 nicht zeigt, ist der starke Windeinfluss, der den Schnee sehr unterschiedlich verteilt hat. Vor allem in den Föhnregionen am Alpenhauptkamm prägt der Windeinfluss die Schneeverteilung.

Abb.6: SNOWGRID-Analyse der Gesamtschneehöhe vom Freitag, 10.11.23, 08:00 MEZ.

Zu Beginn der Saison sind Schneedeckenuntersuchungen rar und die wenigen, die bereits vorliegen, besonders wertvoll. So gibt es Hinweise, dass durch den Schneefall in der Nacht zum Mittwoch teilweise Oberflächenreif überschneit wurde. Betroffen dürften vor allem schattseitige, windgeschützte Bereiche oberhalb etwa 1800 m sein.

Abb.7: Schneeprofil an sehr steiler Nordostseite auf ca. 2000 m nahe Obertauern (Chritoph Mitsche)

Vorsicht ist also in steilen Bereichen geboten, wo gebundener Schnee diese Schwachschicht überlagert. Auch wenn die derzeit insgesamt noch geringe Schneelage und die auslösbaren, räumlich begrenzten Triebschneepakete in den meisten Bereichen kaum mehr als Größe 1 Lawinen erlauben, ist dennoch Vorsicht geboten. Insbesondere im Absturzgelände oder oberhalb von Geländefallen (Mulden, Spalten, kurze Gegenanstiege, …) können auch kleine Lawinen schon fatale Folgen haben.

 

Weitere Entwicklung

Die Temperaturen bleiben am Wochenende frühwinterlich und zeitweise schneit es, wenn auch nicht besonders ergiebig. In den Hochlagen am Steinernen Meer, in den Hohen Tauern und den Nockbergen können bis Sonntag 5 bis 15 cm Neuschnee fallen. Der Wind aus West bis Nord kann dabei in exponierten Bereichen den Schnee verfrachten. Damit können auch in östlichen und südlichen Expositionen frische Einwehungen entstehen.

Abb. 8: 72h Neuschnee-Prognose (kumulativ) des Modells SNOWGRID

Abb. 9: Prognostizierte Windspitzen für Samstagmittag (ECMWF). Insbesondere in den Hochlagen der Nordalpen, aber auch exponiert am Alpenhauptkamm kann der Wind in Böen stürmisch auffrischen.

Die mittelfristigen Berechnungen über das Wochenende hinaus zeigen, dass der Alpenraum in einer großräumigen westlichen Strömung bleibt. Damit dürften weiterhin feuchte, wenn auch vorübergehend wieder deutlich mildere Luftmassen zu uns gelenkt werden. Zumindest in den Hochlagen scheint sich die frühwinterliche Witterung damit in der kommenden Woche fortzusetzen und – wohl dosiert in mehreren Staffeln – weiterer Neuschnee zu folgen. Tageweise könnte zu Wochenbeginn allerdings auch wieder Sturm auf den Bergen Einzug halten.

Abb. 10: Punktprognose der Neuschneesumme an der Schmittenhöhe.

Zum Ende noch eine Bitte: Wenn du bereits im Schnee erste Schwünge ziehst, teile deine Eindrücke und Beobachtungen mit uns unter lawine(at)salzburg.gv.at oder mit der gesamten Touren-Gemeinde im Tourenportal der LWDs (https://skitourenportal.eu/salzburg). Fotos, Schneeprofile oder andere Beschreibungen können uns wertvolle Hinweise zur aktuellen Situation geben. Danke!

 


 


Michael Butschek ist Leiter des operativen Lawinenwarndienstes Salzburg bei der GeoSphere Austria. Er ist ausgebildeter Meteorologe und bereits seit über zwei Jahrzehnten als Lawinenprognostiker für den LWD Salzburg tätig. Michael kennt die hiesigen Berge und seine winterlichen Gefahren wie kaum ein anderer.