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Gleitschnee ist das Hauptproblem

Das Triebschneeproblem vom vergangenen Wochenende hat sich durch die milden Temperaturen und den großen Neuschneezuwachs im Hochgebirge rasch entspannt. Derzeit ist der Schneedeckenaufbau verbreitet günstig. Gefahrenstellen sind meist nur noch im Hochgebirge über 2800 m zu finden. Hier sind an wenigen Gefahrenstellen noch Schwachschichten am Übergang vom Altschnee zum Neuschnee des vergangenen Wochenendes vorhanden. Was bleibt ist das Gleitschneeproblem.

Entwicklung des Triebschneeproblems von 23.12.-27.12.23

Zeugen der großen Lawinengefahr am 23.12.23 sind entlang vom Alpenhauptkamm anhand von Anrissen und Ablagerungen sehr großer, spontaner Lawinen noch zu erkennen.

Abb.1: Mächtige Anrisshöhen im Bereich Wildgerlosspitze/Hahnenkamm NO ~ 2900 m. Auslösezeitpunkt vermutlich 23.12.23 (© LWD Salzburg).

Abb.2: Sehr große, spontane Lawine zwischen Schneekarspitze und Sichelkopf im Wildgerlostal O ~ 2600-2800 m. Auslösezeitpunkt vermutlich 23.12.23 (© LWD Salzburg). 

Nach sehr guten Sprengerfolgen und spontanen Lawinenabgängen am 23.12.23, hat sich die Anzahl der Gefahrenstellen und die Auslösebereitschaft bereits am Sonntag, 24.12.23, stark reduziert. Die Schneedecke hat sich durch die warmen Temperaturen stark gesetzt und der Neuschnee hat sich verbreitet gut mit der Altschneedecke verbunden. Mitgewirkt hat an der raschen Abnahme der Lawinenaktivität auch, dass der mächtige Triebschnee im Lee oft schon tragfähig war und die Auslösung nur noch durch sehr große Zusatzbelastung möglich war. Beispiele für sehr große Zusatzbelastung sind Gleitschneelawinen oder Wechtenbrüche.

Abb.3: Schneebrettauslösung durch Gleitschneeaktivität im Raurisertal (© LWD Salzburg).

Bei einem Erkundungsflug am 25.12.23 waren im Bereich des östlichen Alpenhauptkammes noch vereinzelt frische, große Schneebrettlawinen zu finden. 

Abb.4: Große bis sehr große Lawine SO ~2600 m Goldbergruppe (© LWD Salzburg). 

Derzeit ist die Schneedecke bis auf rund 2800 m verbreitet stabil. In den mittleren und tiefen Lagen (bis ~2300 m) ist die Schneedecke leicht feucht bzw. durchfeuchtet. An der Oberfläche befindet sich derzeit eine Schmelzkruste die in den mittleren Lagen nach klaren Nächten tragfähig ist und bis auf über 2600 m als dünne Eislamelle vorhanden ist. Auf 2600 m zeigen Profilaufzeichnungen in den ersten 40 cm drei dünne Eislamellen im Neuschnee vom verganenen Wochenende. Teilweise hat unter der obersten Eislamelle bereits die aufbauende Umwandlung eingesetzt. 

Die Bedingungen erinnern derzeit an Frühjahrsituationen. Die Schneequalität ist für Skitouren und Variantenabfahrten herausfordernd. Genussvolle Firnabfahrten im steilem, südseitigen Gelände sind bei guter Tagesplanung möglich. Bis auf 2300 m stören Regenrillen den Abfahrtsgenuss in unterschiedlicher Ausprägung. Wer Schattseitig dem Bruchharsch bzw. dem harten Schmelzharschdeckel entgehen will, muss sehr hoch hinauf (>~2700 m). Der landschaftliche Genuss und die Bewegung an der frischen Luft stehen derzeit oft im Vordergrund. 

Gleitschnee

Das Gleitschneeproblem bleibt uns nach wie vor erhalten auch wenn die Aktivität langsam nachlässt. Die Herausforderung im Umgang mit diesem Lawinenproblem liegt zweifelsohne in der Tatsache, dass sich Gleitschneelawinen spontan zu jeder Tages- und Nachtzeit lösen können. Es gilt bei Skitouren und Variantenabfahrten darauf zu achten ob sich oberhalb Hänge mit Gleitschneerissen befinden. Besonders im Zustieg durch enge Täler, in denen darüberliegende Flanken in enge Gräben übergehen, ist die Einsicht oft schwierig und das Risiko durch eine spontane Gleitschneelawine erfasst zu werden erhöht.

Abb. 5: Ablagerung einer Gleitschneelawine im Wildgerlostal (© LWD-Salzburg)

Abb. 6: Gleitschneelawinen können bei ausreichender Schneedeckenmächtigkeit im Anrissgebiet groß werden (© LWD Salzburg).

Abb. 7: Gleitschneelawine in Hintermuhr/Lungau (© LWD-Salzburg).

Abb. 8: Gleitschneeanriss im Bereich beliebter Geländeabfahrten am Kitzsteinhorn. Die Tatsache, dass ein Hang ständig verspurt ist, hat keinen EInfluss auf die Wahrscheinlichkeit einer Gleitschneelawine in diesem Bereich. Sogar auf präparierten Pisten können sich bei ausreichender Bodenwärme Gleitschneerisse bilden (©LWK Kitzsteinhorn).

Abb.9: Die plastische Verformung der Schneedecke ist ein Zeichen dafür, dass die Schneedecke in Bewegung ist. Ein Gefahrenzeichen für Gleitschneeaktivität (© LWK Kitzsteinhorn).

 

 


Anna Heuberger ist neu im Team des Lawinenwarndienstes. Durch ihre Ausbildung als Skiführerin und ihr Studium der Alpinen Naturgefahren kennt sie die vielen Facetten von Schnee im alpinen Gelände. Anna hat außerdem nicht nur in den heimischen Berge Erfahrung in der Gefahrenbeurteilung gesammelt, sondern auch in den Bergen Nord- und Südamerikas.